Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Psychologie Teil]
133 2.2 Sexualität, Geschlecht, Gesellschaft Freuds Schriften haben, auch in stark popularisierten Versionen, großen Einfluss auf den gesellschaftlichen Umgang mit Sexualität ausgeübt. Der Wandel während der letzten hundert Jahre hätte, so scheint es auf den ersten Blick, zumindest in weiten Teilen Europas und Nordamerikas, nicht größer sein können. Die 1960er-Jahre haben ein Phänomen hervorgebracht, das später als „Sexuelle Revolution“ bezeichnet worden ist. In wissenschaftlichen wie pseudowissenschaftlichen Veröffentlichungen aller Art wird sehr offen über Sexualität gesprochen, die Möglichkeiten, ganz unter- schiedliche Formen von Sexualität zu praktizieren, sind zumindest vielerorts um ein Vielfaches weiter, als sie es vor hundert oder auch noch vor fünfzig Jahren waren. Gleichzeitig bestehen nach wie vor zum Teil massive gesellschaftliche und rechtliche Diskriminierungen vor allem von Homosexuellen, mehr noch von Inter- und Transsexu- ellen bzw. von transgender persons . Dabei schwingen nicht nur nach wie vor die alten, religiösen und sonstigen Vorstellungen davon mit, was „anständig“ und „sittlich geboten“ sei. Auch zahlreiche evolutionsbiologische und sexualpsychologische Publikationen betonen direkt oder indirekt, dass ein natürliches Sexualverhalten letzten Endes nur ein heterosexuelles sein könne. Denn meist liegt diesen Ansätzen die Vorstellung zugrunde, menschliches Sexualverhalten ziele doch auf die Hervor- bringung von Nachwuchs. Diese Vorstellung ist an sich problematisch. Allerdings machen die beschriebenen Ansätze eine weitere Voraussetzung, die so gar nicht haltbar ist, nämlich, dass jeder Mensch über ein eindeutig feststellbares biologisches Geschlecht verfüge. Dieses zu bestimmen erweist sich mitunter aller- dings als gar nicht so einfach, wie vielfach angenommen wird. In der Medizin werden heute anatomische, hormonelle und genetische Faktoren (Chromosomenverteilung) herangezogen. Führen all diese Kriterien zu keinem eindeutigen Ergebnis, so wird von Intersexualität gesprochen. Häufig folgen hier (auch und gerade bei Kindern) opera- tive und medikamentöse Eingriffe, um zu einer eindeutigen Geschlechtszuschreibung zu gelangen. Abgesehen davon gibt es Menschen, deren biologisches Geschlecht zwar medizinisch eindeutig bestimmt ist, die sich aber einem anderen Geschlecht zugehörig fühlen (Transsexualität) . Andere wiederum fühlen sich durch jegliche Geschlechtszuschreibung unrichtig beschrieben (transgender persons) . GrundlaGen Nepalesische Transsexuel le, die sich anlässlich am 12. September 2007 in Katmandu versammelt haben, um für ihre Rechte einzutreten Persönlichkeit und Entwicklung Persönlichkeit und Entwicklung 4 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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