Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Psychologie Teil]
12 1.3 Paradigmatische Unterschiede, Methodenvielfalt Gerade in der Psychologie kann es bereits auf der Ebene der Paradigmen zu höchst unterschiedlichen Ausrichtungen kommen: Sagt man etwa, psychische Phänomene seien im Wesentlichen das Ergebnis elektrochemischer Prozesse im Gehirn, so vertritt man ein betont naturwissenschaftliches Konzept. Wird hingegen eine größere Komplexität der psychischen Welt angenommen, die über Sprache, Gesten und Bilder erschlossen werden kann, liegt ein primär geisteswissenschaftlicher Ansatz vor. Wenn man psychisches Erleben maßgeblich mit der sozialen Umwelt des Individuums in Zusammenhang bringt, betreibt man Psychologie als Sozialwissenschaft. Dementsprechend stehen dann auch unterschiedliche Methoden im Vordergrund. Eine/Ein eher naturwissenschaftlich orientierte/r Psychologin/Psychologe wird vielleicht in erster Linie erforschen, wie bestimmte chemische Substanzen die Gehirntätigkeit verändern oder beeinflussen. Ihre/Sein eher geisteswissenschaftlich ausgerichtete/r Kollegin/Kollege wird demgegenüber der Bedeutung von Sätzen nachgehen, die ein/e Patient/in äußert. Eine/Ein Psychologin/Psychologe mit sozial- wissenschaftlichem Schwerpunkt wird sich eher für das Umfeld von Individuen interessieren und dementsprechend Interviews machen oder Feldforschungen anstellen. Vernünftigerweise wird man alle drei Perspektiven für relevant erachten und dement- sprechend auch eine Mischung verschiedener Methoden ins Auge fassen. Die/Der einzelne Psychologin/Psychologe ist dabei jedoch keineswegs so frei, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Wissenschaftliche Forschung wird in der Regel im Zusam- menspiel von Wissenschafterinnen/Wissenschaftern betrieben, die zusammen eine Forschungsgemeinschaft (scientific community) bilden. Innerhalb jeder Forschungsge- meinschaft besteht heute eine gewisse Vielfalt, was Grundannahmen und Methoden betrifft. Trotzdem gibt es vorherrschende Richtungen und Strömungen, die de facto für alle Beteiligten Bindungswirkungen entfalten. GrundlaGEn Paradigma von gr. parádeigma , „Vorbild, Muster“; als Paradigmen werden in der Wissenschaftstheorie grundlegende Annahmen bezeichnet, die nicht weiter hinterfragt werden. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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