Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Philosophie Teil]
379 Es gibt zahlreiche Spielarten ethischer Modelle in dem hier skizzierten Sinn. Aristote- les etwa hätte im Rahmen der „Nikomachischen Ethik“ nicht bestimmte Handlungen an sich, also unabhängig von ihrem Kontext und ihrer Wirkung, als gut oder schlecht bezeichnet. Vielmehr waren sie in Hinblick auf den zu erreichenden Zustand der eudaimonía zu bewerten. Deontologische Ethiken gehen anders vor; sie bewerten einzelne Handlungen als an sich gut oder schlecht bzw. böse. Als schlecht deklarierte Handlungen wie das Erzählen von Lügen, gelten im Rahmen deontologischer Ethiken als verboten. Inso- fern erzeugen diese Ethiken zumindest indirekt Vorschriften und nähern sich auf diese Weise moralphilosophischen Modellen an. Demgegenüber fragen konsequentialistische Ethiken nach den Folgen, die eine Handlung hat. Es kann bisweilen zutiefst menschlich sein, vielleicht sogar lebensret- tend, etwas zu sagen, was man für unrichtig hält. Es kann beispielsweise unter bestimmten Umständen besser sein, einer an Krebs erkrankten Person ihre Erkran- kung zu verschweigen. So, wenn zu befürchten wäre, dass sie sich bei nächster Gelegenheit das Leben nimmt, ohne Therapievorschläge auch nur anzuhören. Diskursethische Ansätze wie jener von Jürgen Habermas machen die Gültigkeit von Handlungsweisen davon abhängig, dass sie im Rahmen eines Diskurses gewonnen werden. Dieser Diskurs soll seinerseits von einer bestimmten Gemeinschaft hervorge- bracht werden, und zwar auf der Grundlage vernünftiger Argumente. Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Interpretieren Sie den Begriff eudaimonía und geben Sie Beispiele dafür, was man sich heute darunter vorstellen könnte! Bilden Sie Gruppen und diskutieren Sie die Frage, ob es sinnvoll sein kann oder nicht, bestimmte Handlungen als an sich gut oder schlecht zu bewerten! Geben Sie Beispiele und begründen Sie Ihre Standpunkte! 1.3 Eine normative Ethik: der Utilitarismus Ein bekanntes Beispiel für eine normative Ethik ist der Utilitarismus. Anders als deontologische Ethiken geht er allerdings nicht von einem an sich guten oder an sich schlechten Wert aus. Vielmehr erklärt er den Nutzen , den die Folgen einer Handlung mit sich bringen, zu einem Wert. Menschliches und damit auch ethisches Handeln ziele auf die Erfüllung von Bedürfnissen, letztlich auf einen Zustand des Glücks . In diesem Sinne sprach der Philosoph Jeremy Bentham davon, dass das „größte Glück der größten Zahl“ den „Maßstab von richtig und falsch“ bilde. Die Orientierung am größten Glück der größten Zahl sollte dementsprechend auch die Maxime individuel- len Handelns bilden. Einige Schwierigkeiten dieses Ansatzes ergeben sich aus begrifflichen Unschärfen. Die Aufforderung zur Maximierung von Glück (happiness) wurde häufig als Ausdruck eines Strebens nach körperlicher Lustbefriedigung gedeutet. Zwingend ist das nicht, obgleich Bentham durchaus in diese Richtung tendiert haben mag. Eine Generation VerTieFung deontologisch von gr. déon , „Pflicht, das Erforderliche“ úú Kapitel 7.3.3 úú Kapitel 10.2 1 2 r grundlagen Utilitarismus von lat. utilitas , „Nutzen, Vorteil“ Ethische Grundpositionen Ethische Grundpositionen 10 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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