Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Philosophie Teil]
Auch der Titel „La trahison des images“ könnte eine Interpretationshilfe bieten. Der Titel lässt sich überset- zen mit „Der Verrat der Bilder“. Er erinnert an ein damals sehr bekanntes, wenige Jahre zuvor erschiene- nes Buch des Philosophen Julien Benda, „La trahison des clercs“ („Der Verrat der Intellektuellen“), das eine Rückbesinnung der Intellektuellen auf Wertvorstellun- gen der Universalität und Gerechtigkeit einmahnte. Magritte hat zwar mehrere Bilder, die Pfeifen darstel- len und den besagten Schriftzug tragen, angefertigt, und er hat ihnen unterschiedliche Titel gegeben. Allerdings könnte gerade dieser Hinweise auf kunstphi- losophische Überlegungen geben, die über den Verweis auf die Differenz zwischen einer realen Pfeife und dem Bild einer Pfeife hinausgehen. So hat etwa der Philo- soph Gernot Böhme darauf hingewiesen, dass in diesem Bild ein gewandeltes Verständnis von Design und Werbung Ausdruck finde und dieses in den Bereich der Kunst integriere. Methodische Arbeitsschritte 1 Genaue Bild betrachtung und -beschreibung Was ist zu erkennen? Welche Elemente lassen sich feststellen? Wie steht es um Form und Farbgebung? Welche Materialien wurden verwendet? Beschreiben Sie im Detail, was Sie sehen. Gewiss, auch darin finden bereits Deutun- gen Ausdruck (irgendetwas wird Ihnen stärker auffallen als etwas anderes)! Versu- chen Sie trotzdem, Ihre Eindrücke möglichst unbefangen zu sammeln und auf Wertun- gen oder Hierarchiebildungen in der Beschreibung zu verzichten! 2 Erste deutungs- versuche Worin besteht das Thema oder worin könnte es bestehen? Welche Stilmittel wurden zu seiner Umsetzung verwendet? Wie verhält sich beides zueinander? Auf dieser Ebene gelangen Sie zu einer ersten, vorläufigen Interpretation. Sie rekon- struieren oder konstruieren für sich, worum es in dem Bild geht, ob es etwa eine bestimmte Geschichte erzählt, Assoziationen weckt, Stimmungen hervorruft oder Ähnliches. Bleiben Sie dabei aber Ihren im ersten Schritt gemachten Beobachtungen treu und befassen Sie sich mit dem tatsächlich Dargestellten und nicht mit etwas, das möglicherweise gemeint ist! Das Bild selbst gibt zunächst genug Information oder Material für konkrete Fragen her. So ließe sich etwa fragen, was das Vorhandensein eines Schriftzugs in einem Bild ganz allgemein bedeuten könnte. 3 Kontexte Welche Informationen lassen sich über den/die Künstler/in finden? Wann ist das Bild entstanden, unter welchen Voraussetzungen und unter welchen historischen Rahmen bedingungen? Worauf nimmt es Bezug? Suchen Sie in Nachschlagewerken, Handbüchern oder im Internet nach Informationen zu René Magritte. Versuchen Sie festzustellen, wann er Bilder mit Pfeifen und dem Schriftzug „Ceci n’est pas une pipe“ veröffentlicht hat. Informieren Sie sich über seine sonstigen Kunstproduktionen und Tätigkeiten. Fragen Sie sich auch, aus welchen Zusammenhängen oder Epochen Sie sonst Bilder kennen, in denen auch Text vor- kommt. Vielleicht erschließen Ihnen Antworten auf diese Frage weitere Spuren. 4 Reflexion Formulieren Sie Ihre eigenen Überlegungen zu den philosophischen Gehalten von Magrittes Bild. 335 Nur zu Prüfzweck n – Eigentum des Verlags öbv
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