Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Philosophie Teil]
318 Philosophie der Geschichte [ist] nichts andres als die denkende Betrachtung der- selben […]. Der einzige Gedanke, den die Philosophie mitbringt, ist der einfache Gedanke der Vernunft , daß die Vernunft die Welt beherrsche, daß es also auch in der Weltgeschichte vernünftig zugegangen sei. Diese Überzeugung und Einsicht ist eine Voraussetzung der Geschichte als solche überhaupt; in der Philosophie selbst ist dies keine Voraussetzung. Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte (3. Aufl. 1992), S. 20. Hegel ist der Auffassung, dass Geschichte durch ein rationales Prinzip strukturiert sei. Die Vernunft beherrsche die (metaphysische) Welt und daher auch die Welt der Erscheinungen. Für Hegel ist Vernunft das strukturierende Prinzip der (metaphysi- schen) Wirklichkeit und wirkt auch in der Geschichte. So wird Geschichte von Hegel in der Weise interpretiert, dass in ihr ein Sinnzusammenhang angelegt ist, nicht in sie hineingelegt wird. Dieser Sinnzusammenhang sei als Voraussetzung anzunehmen, wenn philosophisch über Geschichte gesprochen werde. Denkbewegungen erfolgen nach Hegel dialektisch von der reinen Reflexion des Ich in sich aus. Diese Freiheit der Leere ist ebenso Negativität wie ihre Aufhebung im Übergehen aus unterschiedsloser Unbestimmtheit zur Unterscheidung, […] Bestimmt- heit als eines Inhalts und Gegenstands . Während die erste Negation […] abstrakt ist, stellt sich die zweite (Negation der Negation) als bestimmt oder eben konkret dar. In einem dritten Schritt wird die Besonderheit wieder zur Allgemeinheit zurückgeführt . Die Einheit der genannten Bewegungen ermöglicht Selbstbewusstsein , das sich gleichermaßen als Allgemeines – als die Möglichkeit, von allem bestimmten zu abstrahieren wie auch als Besonderes mit einem besonderen Gegenstande, Inhalt, Zweck weiß. Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Lesen Sie den zitierten Text und erklären Sie den Zusammenhang von Vernunft und Geschichte mit eigenen Worten! Beurteilen Sie Hegels Überlegungen zur Geschichtsphilosophie! Welche Argumente lassen sich gegen sein Konzept geltend machen? Stellen Sie Ihre Überlegungen mit Begründungen stichwortartig zusammen! 3.3 Auf dem Weg zur klassenlosen Gesellschaft Auch Karl Marx orientierte sich an der Philosophie Hegels – nur wollte er diese vom Kopf auf die Füße stellen . Ganz konkret wollte Marx den metaphysischen Gehalt aus Hegels Ansatz entfernen und das Konzept einer der Geschichte innewohnenden, zielgerichteten Entwicklung in die physische und politische Welt verlegen. Marx und andere wurden deshalb auch als Linkshegelianer bezeichnet. Darunter wurden Schüler oder Anhänger Hegels verstanden, die von einer dialektischen historischen Entwicklung ausgingen, jedoch nicht annahmen, dass dadurch ein metaphysisches Prinzip verwirklicht werde. Vielmehr ziele die historische Entwicklung langfristig auf AuSFüHrunG VerTieFunG úú Kapitel 6.2 O Literaturempfehlung: Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Grundlinien der Philosophie des Rechts (1993), S. 49 ff. 3 4 t GrundlaGen Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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