Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Philosophie Teil]

317 3.2 der Weltgeist unterwegs zu sich selbst Entscheidender Bezugspunkt der Philosophie Georg Wilhelm Friedrich Hegels war der Weltgeist . Darunter verstand Hegel das metaphysische Prinzip, das der gesamten menschlichen Geschichte zugrunde liege. Dieser Weltgeist oder Geist existiere zunächst nur für sich , unspezifisch, entfalte sich aber und gelange im Lauf der historischen Entwicklung zu einem immer deutlicheren und klareren Bewusstsein seiner selbst. Es ist die Bestimmung der geistigen , also metaphysischen Welt , die Hegel interessiert. Diese liege im Bewusstsein des Weltgeistes von seiner Freiheit . Freiheit bedeutet in diesem Zusammenhang vollständige Autonomie, Unabhängigkeit. Der Weltgeist ist aber eben nichts rein Abstraktes , das nur für sich selbst und unab- hängig von den Menschen existiert. Vielmehr handelt es sich um eine Art Summe höchstentwickelten menschlichen Bewusstseins. Deshalb bedarf es, um den Weltgeist zum Bewusstsein seiner Freiheit zu bringen, menschlicher Aktivitäten. Zugleich ist es die geistige Welt, die Hegel als Wirklichkeit hinter der physischen Welt erscheint und die sich dieser zu ihrer Vervollkommnung bedient. Für Hegel ist es aber gerade nicht so, dass Menschen handeln, um metaphysische Prinzipien zu verwirklichen. Ganz im Gegenteil, zumindest die große Mehrheit der Menschen handelt für ihn ausschließlich, um ihre jeweiligen Bedürfnisse zu befriedi- gen und ihre Leidenschaften auszuleben. Das schade aber nicht, denn die Vernunft sei listig. Sie bediene sich, so Hegel, gerade dieser Leidenschaften und verfolge dabei ihre eigenen Zwecke. Vor allem bediene sich die Vernunft welthistorischer Individuen, die mit großer Energie, Entschlossenheit und Brutalität ihre persönlichen Ziele verfolgen, dabei aber, ohne es zu wollen, die Sache des Weltgeistes vorantreiben. In ihnen drücke sich ein Allgemeines aus, das grundlegende Entwicklungen innerhalb eines Volkes oder Staates zum Ausdruck bringe. So entwickle sich das Bewusstsein des Weltgeistes zunächst innerhalb bestimmter Völker. Wie der Weltgeist die weltge- schichtlichen Heroen ablege, deren er sich bediene, wandere er gewissermaßen von einem Volk zum anderen, sobald das jeweils Äußerste an möglicher Entwicklung erreicht sei. Verschiedene Kulturen beziehungsweise in diesen verkörperte Volksgeis- ter lösten einander in dieser fortschreitenden Entwicklung ab. Nach Ansicht Hegels führte der Weg von der griechischen über die römische bis hin zur germanischen Welt . Zu der Zeit, in der Hegel seine Geschichtsphilosophie ausar- beitete, also an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert, sei es der moderne Staat, insbesondere der preußische Staat, in dessen Rahmen der Weltgeist in höchstem Maße zu sich selbst finde. Als typisches welthistorisches Individuum dürfte sich Hegel Napoleon vorgestellt haben, der die politische Physiognomie Europas in kurzer Zeit und sehr tiefgreifend verändert hat. Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Frischen Sie Ihre Geschichtskenntnisse auf und lesen Sie in einem Geschichtsbuch oder im Internet nach, inwiefern Napoleon Europa veränderte! Angenommen, Hegel hätte in groben Zügen recht: Wo wäre der Weltgeist dann heute verkörpert – und warum? Diskutieren Sie gemeinsam darüber! GrundlaGen Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770–1831) úú Kapitel 6.3.4 1 2 r Mensch-Sein 1 Mensch-Sein 1 8 Nur zu Prüfzw cken – Eigentum des Verlags öbv

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