Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Philosophie Teil]

316 „Zwei Blumen“, rief er, „hört es, Menschenkinder, Zwei Blumen blühen für den weisen Finder, Sie heißen Hoffnung und Genuss . Wer dieser Blumen eine brach begehre Die andre Schwester nicht. Genieße, wer nicht glauben kann. Die Lehre Ist ewig, wie die Welt. Wer glauben kann, entbehre! Die Weltgeschichte ist das Weltgericht.“ Friedrich Schiller: Resignation (1786), Vers 88–95 Schillers Gedicht „Resignation“ handelt von einem Gespräch, das die Seele eines Verstorbenen mit der Ewigkeit führt. Thematisiert wird unter anderem der Konflikt zwischen Genuss und Hoffnung. Genuss steht für eine Richtung antiker Philosophie, die traditionell mit Epikur in Verbindung gebracht wurde. Wir haben bereits gesehen, dass diese Zuschreibung nicht korrekt ist, doch tut das hier nichts zur Sache. Dem Genuss gegenüber steht die Hoffnung als Symbolbegriff für ein christliches Weltbild. Der Konflikt zwischen beiden ist aus der Sicht des Protagonisten im Gedicht nicht auflösbar, die Weltgeschichte als Weltgericht wird darüber entscheiden. Die Idee der einen Menschheitsgeschichte wirft natürlich Probleme auf. Dies umso mehr, als Europäer/innen und Nordamerikaner/innen noch heute stark dazu neigen, sich diese Weltgeschichte allein aus ihrem eigenen Blickwinkel zu erzählen. Dieses Geschichtsbild läuft Gefahr, eine eurozentrische Perspektive einzunehmen und zu vermitteln. Grundsätzlich ist zu sagen, dass es keine Geschichtsbetrachtung geben kann, die nicht standortgebunden ist. Daraus folgt zunächst, dass es die eine einzige Geschichte der Menschheit nicht geben kann, auch wenn Verbindungen und Überlap- pungen zwischen den vielen Geschichten vorhanden sind. Zum anderen folgt daraus, dass jede politische Vereinnahmung von Geschichte in hohem Maße kritikwürdig ist. Die Rolle Europas in der Welt etwa war eben jahrhundertelang von Aggression, Ausbeutung, Unterdrückung und Zerstörung anderer Kulturen bestimmt. Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Geben Sie eine Definition des Begriffs Weltgeschichte und nehmen Sie Stellung zu den im Text genannten Problemen des Begriffs! Lesen Sie Schillers Gedicht „Resignation“ vollständig und interpretieren Sie es in einem Aufsatz! AuSFüHrunG Friedrich Schiller (1759–1805) úú Kapitel 8.1.5 VerTieFunG 3 t 4 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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