Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Philosophie Teil]
259 2 Erkenntnis Bleiben wir noch kurz bei der Erkenntnis. Wie können wir sie uns vorstellen, wie findet sie statt und was hat die Sprache mit ihr zu tun? 2.1 Sichere Erkenntnis? Die modernen Wissenschaften, wie sie seit der Frühen Neuzeit entstanden sind, streben nach sicherer Erkenntnis der Wirklichkeit. Denselben Anspruch erhoben Philosophen wie René Descartes oder Baruch de Spinoza, beide Vertreter einer rationalistischen Strömung der Philosophie. Descartes’ Suche nach einem sicheren Fundament für Erkenntnis zielte in zwei Richtungen. Einerseits ging es darum, Philosophie und Wissenschaft von den theologi- schen Vorgaben des Mittelalters zu befreien. Andererseits sollte für die empirischen Wissenschaften eine unzweifelhafte Grundlage der Argumentation und Forschung geschaffen werden. In einer Berufung auf die Sinne und sinnliche Wahrnehmung allein konnte diese für Descartes nicht liegen – Sie erinnern sich gewiss an seinen methodischen Zweifel. Ausgehend von dem Satz „Ego sum, ego existo“ („Ich bin, ich existiere“) suchte er nach weiteren sicheren Vorstellungen. Dabei stieß er auf die Idee eines höchst vollkommenen Wesens, vor allem aber auch auf unmittelbar eingängige mathematische Definitionen. Diese Vorstellungen oder Ideen hielt Descartes für angeboren. Derlei angeborene Ideen sollten die Grundlage menschlicher Erkenntnis bilden, zumal sie laut Descartes auch logisch schlüssig sind. Descartes‘ Anspruch, die Basis für sichere und unbezweifelbare Erkenntnis zu legen, war gewiss sehr hoch und letztlich nicht einlösbar. Auch seine Auffassung von den angeborenen Ideen wurde später mit guten Gründen kritisiert, etwa von John Locke. Dass allerdings Ideen und Konzepte empirischem, wissenschaftlichem Handeln vorgehen, lässt sich unter anderem anhand der Kopernikanischen Wende in der Astronomie nachvollziehen. Nikolaus Kopernikus stürzte mit seiner These, dass die Erde um die Sonne kreise, ein bis dahin als unbezweifelbar und mit religiösem Wahrheitsanspruch ausgestattetes Modell. Zu seinen Überlegungen führte ihn allerdings weniger ein gezielter Blick durch ein Fernrohr als vielmehr ein mathematisches Problem. Die Erklärung der Planeten- bahnen konnte mit weit geringerem Aufwand vorgenommen werden, wenn man davon ausging, dass die Sonne und nicht die Erde im Zentrum des Kosmos steht. Diese Thesen konnten später mathematisch und empirisch weitgehend erhärtet werden. Was Kopernikus allerdings für den Kosmos hielt, erwies sich später als ein Sonnensystem unter vielen. Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Stellen Sie mit eigenen Worten dar, worauf Descartes’ Suche nach einem festen Funda ment zielte! GrundlaGEn Rationalismus Sammelbezeichnung für philosophische Richtun gen, die rationales Denken als Grundlage von Erkenntnis und Wissens erwerb betrachten úú Kapitel 6.2 Nikolaus Kopernikus (1473–1543) 1 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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