Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Philosophie Teil]
256 Sprache zu bringen, nützt eine willkürliche Ansammlung von Beobachtungsdaten wenig. Sie müssen in irgendeiner Weise sortiert, ausgewählt, zueinander in Beziehung gesetzt werden. Diese Schritte ergeben sich aber nicht aus dem Datenmaterial selbst. So können etwa Daten über die Temperatur in einer bestimmten Gegend über einen bestimmten Zeitraum gesammelt werden, etwa in Graz von Jänner bis Dezember 2016. Schon für die Datenerhebung wird man sich überlegen müssen, wo man misst, weil die Temperatur in einer Stadt dieser Größe an einem Tag zur selben Uhrzeit nicht an jeder Stelle gleich ist. So wird man versuchen, Mittelwerte festzustellen, die über Messdaten von verschiedenen, über die Stadt verteilten Stationen gewonnen werden. Allein diese Entscheidungen formen bereits vor, welches empirische Material über- haupt gewonnen werden kann. Um dieses Material dann verwertbar zu machen, muss man eine Forschungsfrage formulieren, weil aus dem Material für sich selbst keine Aussage hervorgeht. So macht es einen Unterschied, ob man aus diesem Material Erkenntnisse über einen möglichen Klimawandel gewinnen will oder Einsichten in den jährlichen Niederschlagsverlauf. Je nachdem wird man unterschiedliche Modelle und Methoden an das Material herantragen, um es auszuwerten. Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Recherchieren Sie in einem Lehrbuch zur Vorwissenschaftlichen Arbeit, wie eine Forschungsfrage entwickelt werden kann! Erklären Sie, in welcher Reihenfolge dabei vorgegangen werden muss und warum! Fassen Sie das Wirklichkeitskonzept in den zitierten Überlegungen Schopenhauers zusammen und geben Sie Beispiele aus Ihrer eigenen Erfahrung, die dafür oder dagegen sprechen! 1.3 Welche Wirklichkeit? Gehen wir einen Schritt zurück und fragen wir noch einmal, welche Wirklichkeit denn überhaupt erkannt werden kann und soll. Mit dem Siegeszug der Naturwissenschaf- ten, vor allem im 19. und 20. Jahrhundert, scheint Konsens darüber zu bestehen, dass es die sinnlich erfahrbare Welt und nur diese ist, die Gegenstand wissenschaftlicher und auch philosophischer Erkenntnis werden kann und soll. Demgegenüber war die philosophische Theoriebildung in Europa lange Zeit ebenso fest davon überzeugt gewesen, dass es ideelle Wirklichkeiten seien, die es primär in den Blick zu nehmen gelte. Finden Menschen die Wirklichkeit vor oder bringen sie sie hervor? Vielleicht ist beides der Fall? Man wird für die letzte These vermutlich leicht Zustimmung finden, soweit es menschliche Lebenswirklichkeiten in der westlichen Welt des 21. Jahrhunderts betrifft. Vieles, das für uns wichtig ist, haben wir – nicht wir persönlich, aber Angehörige unserer Spezies Mensch – geschaffen: das Wirtschafts- und das Geldsystem, die úú Kapitel 7.2 und 3 2 3 r GrundlaGEn Idealismus von gr. idéa , „Idee“. Gegenüber der skizzierten materialistischen Position wird oft von Idealismus gesprochen, wenn es um die Annahme eines Vorranges von Ideen und Konzepten geht. Wir haben bereits über Metaphysik und Materialismus gesprochen. Idealistische Positionen gingen und gehen oft mit metaphysischen einher, doch ist dies nicht zwangsläufig der Fall. Ein idealistischer Ansatz kann auch darin bestehen, den Ideen und Vorstellungen von Menschen größeres Gewicht für deren konkrete (Lebens) Wirklichkeit beizumessen als den materiellen Verhältnissen. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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