Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Philosophie Teil]
221 2 Methoden Philosophisches Denken ist immer auch systematisches Denken. Um dies zu gewährleisten, bedarf es bestimmter methodischer Vorgehensweisen. Doch sind Methoden gerade in der Philosophie eher Wegweiser als starre Raster, mehr Hilfsmittel als Selbstzweck und ganz bestimmt keine Patentrezepte. Gleichwohl sind sie unverzichtbar für die Entwicklung logischer und nachvollzieh- barer Gedankengänge. 2.1 Sich wundern Wir haben das Philosophieren hauptsächlich als gedankliche Tätigkeit umschrieben, die unter dem Anspruch der Kritikfähigkeit steht und sich von dogmatischen Behaup- tungen, aber auch von wissenschaftlichen Vorgehensweisen unterscheiden soll. Sie geht von der Einsicht oder Einschätzung aus, dass nichts in der Welt wirklich selbst- verständlich ist – und das ist das Sich-Wundern , dem schon bei Platon und Aristoteles große Bedeutung zukommt. Nimmt man dies ernst, so ist Erkenntnis eine langwierige Suchbewegung. Platons Sokrates und seiner Hebammenkunst (Maieutik) sind wir bereits begegnet. Als konsequent Suchender und Forschender bekundet dieser Sokrates gerne, dass er nur eines wisse: nämlich nichts zu wissen. Wer sich auf das philosophische Wundern und Suchen einlässt, wird in der Tat einräumen müssen, dass er im Grunde sehr wenig weiß. René Descartes nahm diese Überlegungen sehr ernst. In einer Zeit gewaltiger politischer, religiöser und kultureller Umbrüche in Europa, als althergebrachte scheinbare Gewissheiten ins Wanken gerieten und ihre Glaubwürdigkeit verloren, suchte Descartes nach einem sicheren Haltepunkt im Denken. Descartes war vor allem Philosoph und Mathematiker und wollte zumindest eine sichere Grundlage für die damals entstehenden Naturwissen- schaften legen. Dazu entwickelte er etwas, das er als methodischen Zweifel bezeich- nete: Wenn ich alle Überlieferung, alle scheinbaren Gewissheiten, alles, was einfach nur geglaubt und niemals hinterfragt wird, ausschließe, was bleibt mir dann? Komme ich an irgendeiner Stelle auf etwas, das mit all den fragwürdigen Überzeugungen, Sicherheiten und Glaubenssätzen von Menschen nichts zu tun hat und das einfach stimmen muss, weil es anders nicht gedacht werden kann oder weil jede Alternative unsinnig wäre? Descartes fand einen Satz, auf den dieses Anforderungsprofil zutrifft, einen einzigen. Er lautet: Solange ich denke, existiere ich. Warum sollte dieser Satz absolut richtig sein? Weil ich vernünftiger Weise nicht denken kann: Ich denke, aber ich existiere nicht. Das wäre ein Widerspruch in sich selbst. Sofern unsere Vorstellun- gen von Logik, wie sie seit der griechischen Antike Teil des philosophischen Denkens waren, irgendwie richtig wären, könnte das nicht sein. Insofern hätten wir zumindest einen Satz, der sicher stimmt und an dem wir uns deshalb gewissermaßen festhalten können: Solange ich denke, dass ich denke, weiß ich, dass ich existiere (kurz gefasst: „Ich denke, also bin ich“ oder auf Latein: „Cogito ergo sum“). Descartes’ Methode, der methodische Zweifel, ist nicht nur sehr berühmt geworden, sondern passt auch in hohem Maße zu dem, was wir als typisch philosophischen GrundlaGen Methodik und Methodologie Der Begriff Methodik bezeichnet einfach die konkreten Methoden oder Vorgehensweisen, die in einem bestimmten Bereich (z. B. einer Wissenschaft, einer philosophischen Richtung, einer gerichtlichen Ermittlung) angewendet werden. Mit Methodologie ist hingegen das grundsätzli che Nachdenken über Methoden im Allgemeinen oder eine Methode im Besonderen gemeint. Hier fragt man, warum eine bestimmte Methode ange wendet wird und nicht eine andere, ob die Voraussetzungen dieser Methode schlüssig sind, ob sie mit angemessenen Mitteln operiert usw. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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