Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Philosophie Teil]
211 nehmen, mehr auf die eigene Person bezogen sein: „Es ist doch erstaunlich, dass gerade ich hier gehe, an diesem Ort auf diesem Planeten, und all das sehe, zufällig hier an dieser Stelle und nicht woanders, wo ich mich genauso gut befinden könnte. Also warum bin ich gerade hier? Wo komme ich eigentlich her, als Individuum, aber auch als Teil der Spezies Mensch? Was fange ich mit meinem Leben gerade an, was kann ich damit anfangen, was davon erwarten? Ist es gut so, wie es ist? Wie ist es eigentlich genau? Weiß ich das? Was kann ich überhaupt wissen?“ Der Anfang aller Weisheit und auch der Liebe zu ihr (gr. philosophía ), darin waren sich die griechischen Philosophen Platon und Aristoteles einig, ist das Sich-Wundern. Objekt der Verwunderung ist jeweils das, was am nächsten liegt und nicht geklärt ist, also im Grunde so gut wie alles. Aber sind denn heute nicht sehr viel mehr Dinge geklärt als vor rund zweieinhalb Jahrtausenden, als Platon und Aristoteles lebten? Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Betrachten Sie das Bild des Sternenhimmels und notieren Sie Ihre spontanen Gedan ken und Empfindungen! Prüfen Sie Ihren Bezug zur Philosophie! Könnte das Fach für Sie interessant sein? Begründen Sie Ihre Einstellung und diskutieren Sie gemeinsam! Verwunderung nämlich stand für die Menschen jetzt genauso wie früher am Beginn des Philosophierens, insofern sie sich anfänglich über das nächstliegende Unerklärliche (ver)wunderten, dann allmählich weitergingen und auch Fragen über größere Dinge stellten, beispielsweise über Erscheinungen am Mond, der Sonne, den Gestirnen oder die Entstehung des Alls. Wer sich über eine Sache wun- dert und Fragen zu ihr hat, glaubt nicht, sie zu kennen. (Deshalb ist der Freund der Mythen in gewisser Hinsicht auch ein Philosoph; denn der Mythos besteht aus Verwunderlichem.) Aristoteles: Metaphysik 982b 11 ff. Das griechische Nomen thaumázein („Verwunderung“ oder „Sich-Wundern“), das Aristoteles gebraucht, begegnet in ähnlichem Zusammenhang schon bei Platon, und zwar in dem Dialog „Theaitetos“, wo die Verwunderung ebenfalls als der Anfang allen Philosophierens gesehen wird. Mehr noch, sie gilt Platon sogar als charakteristisch für die Art und Weise, in der Philosophinnen/Philosophen die Welt wahrnehmen. Aller- dings nur diese: Der philómythos , also ein „Freund der Mythen“, wird bei Platon, anders als bei Aristoteles, nicht auf eine Stufe mit dem Freund der Weisheit, philóso- phos gestellt. Vielleicht wäre ein Freund der Mythen in einer heutigen Betrachtungs- weise „ein/e Freund/in religiöser Lehren“. Wir werden sehen, dass es unter dieser Voraussetzung in der Tat Gemeinsamkeiten, aber auch signifikante Unterschiede zwischen Philosophen und Philomythen gibt. Andererseits darf der historische Kontext nicht außer Acht gelassen werden. Vor dreitausend Jahren waren Mythen in erster Linie Erzählungen, die es Menschen Aristoteles (384–322 v. Chr.) 1 2 t ausFüHrunG VerTieFunG Platon (um 428– um 348 v. Chr.) Eine kurze Einführung Eine kurze Einführung 6 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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