sprachreif, Schreibkompetenztraining: Analytische und interpretatorische Textsorten

92 3. 3 — Textinterpretation Der vorletzte Satz ergänzt den elliptischen Titel der Kurzgeschichte mit Subjekt und Prädikat: „Ida braucht fünf Minuten für eine Zigarette.“ Ein Drama kann Vorspiel/Prolog, Akte/Aufzüge, Szenen/Auftritte, Epilog und Verse aufweisen. „Kein Zweifel, das Menschenmaterial ist erschöpft und krank.“ (39. Szene) Ein Gedicht besteht aus Strophen und Versen/Verszeilen/Zeilen. Der Schlussvers deutet auf ein neues, nun wieder selbstbestimmtes Leben hin: „Ich lebe.“ Das Zitat in einen Handlungszusammenhang oder gedanklichen Zusammenhang stellen Zitate dürfen nicht aus dem Zusammenhang gerissen werden. Es hat keinen Sinn, zu schreiben: Die Geschichte beginnt damit, dass eine junge Frau namens Ida zuhause alleine vor der Waschmaschine sitzt und Kaugummi kaut. In Z. 7 will sie nach Afrika, „denn hier ist es ihr zu kalt.“ Falls der Text Zeilennummerierung aufweist, können Sie die Zeilennummer in einer Klammer nachstellen. Der zweite Absatz besteht im Gegensatz zum ersten, der Idas triste Situation veranschaulicht, aus nur einem Satz und nennt ihren Wunschtraum: „Sie möchte nach Afrika, hier ist es ihr zu kalt.“ (Z. 7) Auf die Funktion von Zitaten achten — Zitate haben im Wesentlichen zwei Funktionen (vgl. Eco 1998, S. 196): a) Das Zitat dient zur anschließenden Auseinandersetzung und Interpretation: Ida hofft aber auf eine Besserung der Kommunikation mit ihren Eltern. „Sie würde eine zweite Karte an ihre El­ tern schreiben: Ich komme wieder, wenn es warm wird.“ An diesem Satz zeigt sich meines Erachtens, dass Ida nicht jede Hoffnung aufgegeben hat. Sie hofft darauf, dass ihre Eltern darüber nachdenken, warum sie nach Afri­ ka weggegangen ist. Sie hofft darauf, dass die Eltern zur Besinnung kommen, ihr nachtrauern und sich um sie bemühen. Sie hofft darauf, dass ihre Eltern herzlich zu ihr sind und wieder Herzenswärme ausstrahlen. b) Das Zitat unterstützt die zuvor gemachten Aussagen, es unterstützt die Analyse bzw. Interpretation: Einerseits möchte das betrogene lyrische Ich sein weiteres Leben als Sänger verbringen, also eine Künstlerlauf­ bahn einschlagen, andererseits möchte es Soldat werden und in den Krieg ziehen. Es zeigt sich somit, dass der Verlassene nach dem Bruch der Liebesbeziehung orientierungslos ist. Dessen ist er sich aber auch bewusst, denn er sagt von sich selbst: „Ich weiß nicht, was ich will“. — Keinen Zweck haben Zitate, die die eigenen Ausführungen ersetzen, vor allem, wenn es um die Wiedergabe des Inhalts geht: *Ida stellt sich dann die Situation vor, wenn Sie in Afrika wäre: „Niemand würde mehr Zigaretten rauchen, wenn die Mutter weg ist. Niemand würde kiffen, wenn der Vater weg ist. Der Freund würde sowieso nicht mehr kommen.“ Ebenso überflüssig sind Zitate, die die eigenen Ausführungen bloß wiederholen oder untermalen: *Dann stellt sich Ida vor, dass Sie aus Afrika ein Karte an ihre Eltern schicken würde: „Später würde sie eine Kar­ te aus Afrika schreiben.“ : Eco, Umberto: Wie man eine wissenschaªliche Abschlußarbeit schreibt. Doktor-, Diplom- und Magisterarbeiten in den Geistes- und Sozialwissenschaªen. Heidelberg: C. F. Müller 1998. Setzen Sie die jeweiligen Zitate mit den dazugehörigen Satzzeichen in die beiden Texte ein (Dazu müssen Sie auf den Text „Für eine Zigarette 5 Minuten“ auf der S. 67 f. und die drei Gedichte auf S. 70 f. zurückgreifen): Ida stellt sich vor, wie es wäre, wenn sie tatsächlich nach Afrika ginge. Dass der Platz vor der Waschmaschine dann leer bliebe, unterstreicht die Erzählerin durch die zweimalige Satzeinleitung Dass Idas Freund wohl keinen Kontakt zu ihren Eltern hat oder von diesen sogar abgelehnt wird, zeigt die lakonische Vermutung Der erste und der letzte Satz der Geschichte sind fast ident. Nur das Partizip wird durch ein anderes Partizip ersetzt, nämlich Die Liebe ist erkaltet, doch das Mühlrad dreht sich weiter. Es wird dem lyrischen Ich aber nicht mehr warm ums Herz, wenn er an die zerbrochene Liebe denkt. Daher steht das Mühlrad auch nicht an einem idyllischen Ort, sondern Ulla Hahns Gedicht ist geprägt durch den Zeilensprung. Die erste Zeile jeder Strophe kann zwar als vollständiger Hauptsatz gelesen werden, doch dann folgt in der zweiten Zeile sozusagen der Gegenstand des Verzeihens. In der letzten Strophe ist dieses Objekt überraschenderweise der ehemalige Liebespartner selbst. Der vollständige Satz lautet: Ü25 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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