sprachreif, Schreibkompetenztraining: Analytische und interpretatorische Textsorten

86 3. 3 — Textinterpretation Die negative Sichtweise des Verfassers zum Thema „Entwicklung des Bildungswesens“ kann man an einer langen Liste negativ konnotierter Begriffe ablesen, die sich durch den gesamten Text ziehen: „Bildungskatastrophe“, „Rückschläge“, „Sommer- loch-Thema“, „Notzeiten“, „Mangel“, „Einfallslosig- keit“, „Pseudoexperten“, „Gehirnwäsche“, „Schund- literatur“, „Problem“, „Burn-out“, „Qualitätsverlust“. Es sind fast durchgängig zusammengesetzte Nomen, was ihnen ein besonderes Gewicht verleiht. Die Rede von „schädlichen Schulreformideen“ und von einem „ahnungslosen Publikum“ verstärkt diesen Eindruck. Der Verfasser/Die Verfasserin → hier kann man nicht gendern, denn der Verfasser ist männlich. verwendet viele schlechte Wörter. → es gibt keine „schlechten“ Wörter. Mit Wörtern kann man aber Menschen Dinge und Sachverhalte schlecht machen, schlecht darstellen, in ein schlechtes Licht rücken, abwerten, negativ sehen, Menschen kann man beleidigen, beschimpfen, herabwürdigen etc. Wörter und Begriffe können aber negativ konnotiert/besetzt sein, pejorative (abwertende) Bedeutung haben. Der Verfasser entwickelt ein sehr bilderreiches Szenario, indem er zahlreiche Metaphern (Nominal- metaphern, Verbalmetaphern) einsetzt. Besonders eindrucksvoll ist das Bild der Schulgaleere. Auch der Ausdruck der Galeere ist nicht unbedingt positiv besetzt. Man stellt sich dieses Schulschiff mit vielen Ruderern besetzt vor, wobei die Ruderer wohl die fleißigen Lehrkräfte („Wir müssen ‚mit Volldampf‘ rudern“) symbolisieren sollen, während die Steuer- männer wohl die Bildungsexperten, Bildungspolitiker und Medienleute sind. Diese Experten führen das Schiff zum Kentern, indem es metaphorisch gegen Klippen gelenkt wird. Weitere Metaphern sind: Ideen „in einer Art Gehirnwäsche einzuhämmern“, Deutsch- klassen werden auf die „Lehrverpflichtung draufge- packt“. Der Text hat viele Metaphern → weist auf, beinhaltet, ist dominiert durch, ist geprägt von … Der Verfasser schreibt viele Metaphern → setzt ein, verwendet, gebraucht, bringt zum Einsatz … Der Verfasser meint, dass die Schulgaleere an den Klippen der Bildungskatastrophe zerschellen wird. → Hier wird die Metapher einfach wiedergegeben, nur das Wort „zerschellen“ wird zusätzlich verwendet. Metaphern und andere sprachliche Bilder müssen aber erklärt werden; man kann sie auch interpretieren, wie es im linken Text geschieht. Der Ausdruck Galeere ist nicht positiv. → nicht positiv besetzt, konnotiert, nicht mit positiven Gefühlen verknüpft, ruft keine positiven Vorstellungen hervor … (siehe oben) Auffällig ist, dass diese sehr bildhafte und auch gebildete Sprache immer wieder von Einschüben aus der Umgangssprache durchbrochen wird: „als Klopapier verwendbaren Zeitungen“, „eh alles“, „mir könnte es ja wurscht sein“. Diese Sprachebene wird dann eingenommen, wenn der Verfasser besonders emotional wird. Der Autor verwendet eine normale Sprache. → diese Floskel liest man in Schüleraufsätzen immer wieder; diese Bezeichnung ist aber nichtssagend. Der Sprach- duktus sollte mit Fachbegriffen benannt werden: Standardsprache, Umgangssprache, Alltagssprache, Bildungssprache, oder mit treffenden Adjektiven benannt werden. Weiters sticht der aus einem einzigen Fragesatz bestehende vorletzte Absatz hervor: „Wer in der Gesellschaft sagt etwas dagegen […]?“ Das ist letztlich keine Frage, sondern eine Art Hilferuf und eine Aufforderung in Richtung: So sagt doch endlich etwas! Wehrt euch! Man könnte sie aber auch als rhetorische Fragen sehen: Der Verfasser resigniert und glaubt nicht daran, dass irgendjemand seine Stimme erheben wird. Dann fragt der Autor, wer in der Gesellschaft etwas dagegen sagt. → Fast wortwörtliche Wiedergaben sind zu vermeiden. Dann stellt der Verfasser die rhetorische Frage, wer in der Gesellschaft etwas dagegen sagt. → Diese Version ist genauer, aber auch hier wird nicht analy- siert bzw. interpretiert, worauf die rhetorische Frage abzielt, was sich denn von selbst beantwortet. Im Text links wird die Antwort gegeben. Der Verfasser arbeitet auch viel mit Gegensätzen (Antithesen): die Vergangenheit war besser – die Zukunft wird düster; seriöse Lehrer – unseriöse Experten; die alten – die jungen Deutschlehrer … Er betont so, wie schlecht die aktuellen Entwicklungen sind. Im Falle der Deutschlehrer wendet der Leser- briefautor auch noch den rhetorischen Trick der Einbeziehung anderer an, indem er in der Mehrzahl spricht: „Wir ‚alten‘ Deutschlehrer“. Indem er zeigt, wie er sich bereits opfert, will er gleichzeitig zeigen, wie sehr die kommende Generation wird leiden müssen. Wichtig ist ihm, den Eindruck zu vermeiden, Der Verfasser verwendet auch viele Antithesen. → Für eine Interpretation ist es notwendig, die Funktion bzw. mögliche Wirkung von Stilmitteln herauszuarbei- ten. Der Verfasser arbeitet auch viel mit Gegensätzen (Antithesen): „die Vergangenheit war besser“ – „die Zukunft wird düster“; „seriöse Lehrer“ – „unseriöse Experten“; „die alten Deutschlehrer“ – „die jungen Deutschlehrer“… → Die Anführungszeichen sind nicht korrekt, da es sich nicht um Zitate handelt. Die beiden ersten angeführten Gegensätze sind gelungene Zusammenfassungen von Grundaussagen des Textes, Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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