sprachreif, Schreibkompetenztraining: Analytische und interpretatorische Textsorten

79 3. 3 — Textinterpretation Figurenrede Die verbalen Äußerungen können mithilfe des Wissens über Kommunikation (Wer sagt was zu wem mit welchen Mitteln und mit welcher Absicht?) interpretiert werden: Die einzelnen Sprechakte der Redenden können mit sprechaktbezeichnenden Verben bezeichnet werden. Machen Sie sich im Text Anmerkungen zu den Sprechakten der Figuren: mitteilen, feststellen, vorwerfen, verwerfen, einwerfen, entgegnen, argumentieren, beeinspruchen, abwehren, anklagen, schwören, vortragen, monologisieren, belehren, aufklären, verraten, fragen, hinterfragen, antworten, schweigen, verstummen, anweisen, hinweisen, abweisen, demütigen, abwerten etc. Für die schriftliche Darstellung beschreiben Sie aber nicht jeden einzelnen Sprechakt, denn dann würden Sie eine Nacherzählung schreiben. Sie werden prägende, entscheidende Sprechakte anführen und nach Möglichkeit in übergeordnete Begriffe fassen: Diskussion, Streit, Austausch, Anklage, Verhör, Liebesgeständnis … Für die Interpretation werden Sie hinter die oberflächlichen Äußerungen blicken und den „Subtext“ erforschen, d. h. sich eine Meinung zu den Motiven und Absichten der Figuren bilden, die Sie mit Hinweisen auf den Text begründen. — Wie viel Gesprächsanteil haben die verschiedenen Figuren? Dominiert eine Figur? Schweigt eine Figur? → mögliche Fragen zur Interpretation: Aus welchen Gründen sind die Redeanteile so verteilt? Liegt symme- trische oder komplementäre Kommunikation vor? Schweigt jemand absichtlich? — Gehen die Dialogpartner aufeinander ein oder reden sie aneinander vorbei? Gelingt die Kommunikation oder gelingt sie nicht? → mögliche Fragen zur Interpretation: Können die Redenden einander nicht verstehen oder reden sie absichtlich aneinander vorbei? Welche Gründe gibt es dafür? — Gibt es einen Unterschied zwischen dem Gesagten und dem Gemeinten? Welche Rolle spielen Inhaltsebene und Beziehungsebene? → mögliche Fragen zur Interpretation: Was ist die „eigentliche“ Botschaft einer Figur? Wie wird sie aufge- nommen? Die wichtigsten Formen der Figurenrede sind — der Monolog: ein Selbstgespräch, das meist die Gemütslage oder den inneren Konflikt der Figur zeigt — der Dialog: ein Gespräch zwischen zwei oder mehr Figuren — das Beiseitesprechen: eine Äußerung, die nur für das Publikum und nicht die Gesprächspartner bestimmt ist. Mit diesen verbalen Formen sind nonverbale (Körpersprache, Mimik, Gestik) und paraverbale Mittel (Lautstärke, Betonung, Sprachmelodie, Tonhöhe, Sprechtempo, Pausen) der Kommunikation verbunden. Hinweise dazu finden sich mitunter in den Regieanweisungen. Handlung/der dramatische Konflikt Treffen Personen mit unterschiedlichen Verhaltensweisen und Ansichten aufeinander, so entstehen Interessens- gegensätze. Die Ausverhandlung dieser Gegensätze führt im Drama (und im Film) zu Konflikten. Diese Konflikte können in einer Katastrophe enden (Antigone) oder in einem glücklichen Ende aufgelöst werden (Der eingebil- dete Kranke), oder sie können fortbestehen (Mutter Courage), in Resignation enden (Dantons Tod) oder mit Vernunft beigelegt werden (Iphigenie). → mögliche Fragen zur Interpretation: Welche Figur hat welche Interessen? Sind die Konflikte persönlich, historisch, gesellschaftlich, politisch oder sozial motiviert? Werden die Konflikte als überzeitlich angesehen oder als historisch bedingt? Welche historischen, gesellschafts-politischen, ideengeschichtlichen Anschauungen der Autorin/des Autors werden transportiert? Kontexte Gerade für die Beantwortung der zuletzt gestellten Frage kann die Einbeziehung des Kontextes wichtig sein: → mögliche Fragen zur Interpretation: In welcher Weise spiegeln sich im Drama gesellschaftliche Zustände der Entstehungszeit? Welche Dramenkonzeption verfolgt die Autorin bzw. der Autor? Ist eine Idee, Botschaft, Lehre mit dem Drama verbunden (Ideendrama, Propagandastück, episches Drama …) oder verbindet man eine solche mit ihm? Beantworten Sie als Vorübung zur folgenden Schreibaufgabe jene möglichen Fragen zur Interpretation, die auf den folgenden Text anwendbar sind. Lesen Sie die folgenden Szenen aus dem Drama „Die letzten Tage der Menschheit“ von Karl Kraus. TIPP Ü22 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=