sprachreif, Schreibkompetenztraining: Analytische und interpretatorische Textsorten
72 3. 3 — Textinterpretation Übertragen Sie die restlichen Strophen in Standardsprache. Fassen Sie dann den Inhalt des Gedichts kurz in ein bis zwei Einleitungssätzen zusammen. Auch in den Gedichten von Eichendorff und Hahn kann man den Inhalt festhalten, aber man kann keine oder kaum eine Handlung nacherzählen. Beschreiben Sie die Situation , in der sich das lyrische Ich in Eichendorffs Gedicht „Das zerbrochene Ringlein“ befindet. Beschreiben Sie die Situation , in der sich das lyrische Ich in Hahns Gedicht „Verzeihung“ befindet. 2. Schritt: Die sprachlichen Bilder, das semantische Feld und ihre Bedeutung erschließen Die sprachlichen Bilder In vielen Gedichten kann man nur schwer konkrete Inhalte feststellen. Man muss in ihnen dem lyrischen Ich, seinen Eindrücken, Stimmungen, Gedanken und seiner Stellung zur Welt folgen. Diese Eindrücke werden im Gedicht auf sehr engem Raum wiedergegeben. Der Verdichtung des Inhalts entspricht also die Verdichtung der Sprache. Sie ist meist dichter als in anderen Textsorten. Das bedeutet, die Wörter und Worte weisen eine besonders hohe Bildlichkeit auf: Sie fordern die Lesenden zur Assoziation, zur Aktivierung von Konnotationen und Mehrdeutigkeiten auf und zum Nachdenken über Begriffe, die nicht wortwörtlich zu verstehen sind, sondern die eine Bedeutung über den Wortsinn hinaus aufweisen. Wichtige Formen der Bildlichkeit sind: — Die Metapher = bildhafter Vergleich: „Schwächer trifft der Sonnenpfeil“ (Detlev von Liliencron: Herbst) für: die Sonnenstrahlen werden milder. — Das Symbol = Zeichen, das auf eine abstrakte Vorstellung verweist: Waage für Gerechtigkeit. — Die Metonymie = Vertauschung; Ersetzung eines Begriffs durch einen damit in Zusammenhang stehenden: der Stahl für Dolch; den neuesten Handke lesen statt das neueste Buch von Handke lesen. — Die Personifikation = Vermenschlichung von Dingen, Pflanzen, Tieren: „Gelassen stieg die Nacht ans Land“ (Eduard Mörike: Um Mitternacht) für: Langsam wurde es Nacht, wurde es dunkel. — Die Allegorie = Bildhafte Darstellung eines Gedankens oder abstrakten Begriffs: z. B. der Sensenmann für den Tod. — Das Wortspiel = durch Vertauschung und Verdrehung in und von Wörtern wird Mehrdeutigkeit erzeugt: „manche meinen / lechts und rinks / kann man nicht / velwechsern. / werch ein illtum!“ (Ernst Jandl: lich- tung) — Die Konnotation = mitschwingende Bedeutung: Der Begriff Nacht meint die Zeitspanne zwischen Sonnen- untergang und Sonnenaufgang; mit dem Begriff können je nach Zusammenhang Zustände wie Stille und Frieden (z. B. in romantischen Gedichten) verbunden sein oder Gefühle wie Angst, Verbrechen, Wahnsinn, Umnachtung, Tod (wie in Shakespeares Tragödie „Hamlet“ oder in Werwolf-Filmen) verbunden sein. — Darüber hinaus gibt es noch viele weitere Stilmittel, die diese Bildlichkeit und auch die Eindringlichkeit dieser Bilder verstärken. Die Auflösung, d. h. Erklärung dieser Bilder ist oft ein wichtiger und manchmal sogar der entscheidende Schritt zu einer Gedichtinterpretation. Ü13 Ü14 Allegorie und Symbol Justitia als Allegorie des Rechts. Ihre Augenbinde ist das Symbol für ihre Unpar- teilichkeit, das Schwert ist das Symbol für die Durchsetzung des Rechts und die Waage symbolisiert die Abwägung der Sachverhalte. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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