sprachreif, Schreibkompetenztraining: Analytische und interpretatorische Textsorten

59 3. 3 — Textinterpretation Beispieltext für eine Textinterpretation eines literarischen Textes Lesen Sie den kurzen Prosatext „Der Vorzugsschüler“ von Thomas Bernhard“ und im Anschluss daran die Textinterpretation nach einer Aufgabenstellung für eine Schularbeit. Thomas Bernhard: Der Vorzugsschüler (1969) Der Vorzugsschüler, dessen Leben mehr Methode hat als das Leben der Erwachsenen, träumt, daß er eine Re­ chenaufgabe nicht lösen kann und die Lösung auch dann noch nicht gefunden hat, als der Lehrer die Schulaufga­ ben einverlangt. Der Lehrer stellt den Vorzugsschüler in der Klasse zur Rede und droht ihm, seine Eltern von demVorfall zu benachrichtigen. Die Mitschüler sind voll Schadenfreude und stoßen den Vorzugsschüler, der kör­ perlich ein Schwächling ist, in einen Kanal, aus dem er sich nur mit äußerster Anstrengung befreien kann. Am nächsten Tag getraut er sich gar nicht in die Schule hi­ neinzugehen und bleibt zehn Minuten nach Schulbeginn unter demSchultor stehen. Er macht kehrt und schwänzt. Er irrt in einem Park umher und wird dort plötzlich vom Schuldiener entdeckt, der den Vorfall in der Direktion meldet. Jetzt erwacht der Vorzugsschüler aus seinem Traum. Er stürzt schwitzend und halbnackt in das Schlafzimmer seiner Eltern. Aber so tief und mit wel­ chen Mitteln sie auch in ihn eindringen, er sagt ihnen nicht den Inhalt seines Traums. Er weigert sich immer wieder, ihn zu erzählen. : ¬omas Bernhard: Erzählungen. Kurzprosa, hg. v. Hans Höller, Martin Huber, Manfred Mittermayer (= Werke Band 14), Frankfurt am Main: Suhrkamp 2003, S. 213. Ü1 2 4 6 8 10 Aufgabenstellung Verfassen Sie eine Textinterpretation. Situation: Im Rahmen der schriftlichen Reife- und Diplomprüfung in Deutsch sollen Sie Ihre Kompetenz, literarische Texte zu interpretieren, nachweisen. Lesen Sie den Text „Der Vorzugsschüler“ von Thomas Bernhard. Schreiben Sie nun die Textinterpretation und bearbeiten Sie dabei die folgenden Arbeitsaufträge : — Fassen Sie die Textgrundlage zusammen. — Erschließen Sie sprachliche und erzählerische Mittel, die für eine Interpretation wichtig sind. — Deuten Sie den Traum und das Verhalten des Vorzugsschülers. Schreiben Sie zwischen 530 und 660 Wörter. Markieren Sie die Absätze mittels Leerzeilen. AUFGABE 12 14 16 18 20 22 Beispieltext für eine Textinterpretation Die Kurzgeschichte „Der Vorzugsschüler“ von Thomas Bernhard aus dem Jahre 1969 handelt vom Alptraum eines Vorzugsschülers, der die Ängste des Schülers widerspiegelt. In diesem Traum scheitert der Vorzugsschüler an einer Rechenaufgabe, wird vom Lehrer und von der Klasse gedemütigt und traut sich am darauffolgenden Tag nicht mehr in die Schule. Als er vom Schulwart wegen Schulschwänzens in der Direktion gemeldet wird, wacht der Vorzugsschüler auf. Er läuft in das Schlafzimmer seiner Eltern, verschweigt ihnen aber beharrlich die Vorkommnisse in seinem Traum. Der Titel der Geschichte lautet „Der Vorzugsschüler“, und nicht „Der Traum“ oder Ähnliches. Daraus kann geschlossen werden, dass weniger der Traum als vielmehr der Vorzugsschüler im Mittelpunkt steht. Dabei geht es aber nicht um einen xbe­ liebigen Vorzugsschüler, sondern um einen bestimmten Typus, wofür auch der be­ stimmte Artikel „Der“ im Titel steht. Weiters wird der Vorzugsschüler mit keinem Namen versehen, sondern nur mit dem Personalpronomen „er“ benannt. Vorzugsschüler sind manchmal nicht beliebt, sie werden oft als „Streber“ bezeich­ net, besonders von jenen Mitschülerinnen und Mitschülern, die Lernschwierigkei­ ten haben. In manchen Fällen kann die Ablehnung zu Spott und Ausgrenzung füh­ ren. Die Klassenkolleginnen und kollegen suchen dann nach Schwächen beim 2 4 6 8 10 12 14 16 18 Einleitung: Kontextdaten Nennung des Themas (= Ansatz zur Interpreta- tion) Einleitung: Wiedergabe des Inhalts Hauptteil: Analyse des Titels Erläuterungen Hauptteil: Analyse des Inhalts in Zusammen- hang mit Alltagswissen und Weltwissen Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=