sprachreif, Schreibkompetenztraining: Analytische und interpretatorische Textsorten

50 3. 2 — Die Textanalyse Anapher Wiederholung des Anfangswortes oder ersten Satzgliedes bei aufeinander folgenden Sätzen, Versen oder Strophen: „Der den Tod auf Hiroshima warf Ging ins Kloster, läutete dort die Glocken. Der den Tod auf Hiroshima warf Sprang vom Stuhl in die Schlinge, erwürgte sich. Der den Tod auf Hiroshima warf Fiel in Wahnsinn, wehrte Gespenster ab.“ (Marie Luise Kaschnitz: Hiroshima) Spannung Antithese Gegenüberstellung von Gegensätzen: „Alt, aber gut.“ Klimax Steigerung vom schwächeren zum stärkeren Ausdruck: „Er kam, sah und siegte.“ Parallelismus Zwei (oder mehrere) aufeinander folgende gleiche (Teil-)Sätze haben dieselbe Abfolge der Satzglieder Adressatenkontakt Anrede Anwesende/Abwesende Person oder Sache wird angesprochen: „Komm, süßer Tod“ (Titel eines Liedes von Johann Sebastian Bach und eines Krimis von Wolf Haas) Rhetorische Frage Eine Frage, auf die keine Antwort erwartet wird: „Bist du verrückt?“ Ein weiteres wichtiges Merkmal eines Gedichtes ist die häufig feststellbare stärkere Ordnung der Verszeile gegenüber der Prosazeile. Dies zeigt sich in der geregelteren Abfolge von betonten (= Hebungen) und unbeton- ten Silben (= Senkungen). Wenn sich in einer Zeile eine solche Regelmäßigkeit erkennen lässt, so spricht man vom Metrum (= Versmaß). Die Bausteine des Versmaßes sind die Versfüße . Sie bestehen entweder aus zwei oder drei Silben. Bei zweisilbi- gen Versfüßen unterscheidet man zwischen Trochäus (betonte und unbetonte Silbe) und Jambus (unbetonte und betonte Silbe), bei dreisilbigen zwischen Daktylus (auf eine betonte folgen zwei unbetonte Silben) und Anapäst (unbetont-unbetont-betont). Ein Vers ist meistens auch eine Sinneinheit. Wenn sein Ende mit dem Ende eines Satzes zusammenfällt, spricht man von einem Zeilenstil , andernfalls von einem Zeilensprung (= Enjambement). Mehrere aufeinander folgende Zeilensprünge bedingen einen Hakenstil. Ein Vers kann mit einer unbetonten oder betonten Silbe enden (= weibliche/männliche Kadenz). Eine besondere Bedeutung in einem Gedicht kommt dem Reim zu, denn er verbindet Verse. Als reiner Reim gilt der Gleichklang zweier oder mehrerer Wörter vom letzten betonten Vokal an. Unreine Reime klingen ähnlich. Reimwörter können am Anfang, in der Mitte oder am Ende einer Versezeile stehen. Die dafür gängigen Fachaus- drücke lauten Anfangsreim, Binnenreim und Endreim. Endreime – sie sind die häufigste Reimart – werden nach ihrer Stellung unterschieden: Paarreim (aabb), Kreuzreim (abab), umarmender Reim (abba) und Schweifreim (aabccb). Wichtig ist, dass diese verschiedenen Endreim-Arten eine unterschiedliche Reimspannung bei der Leserin/dem Leser aufbauen: Bei einem Paarreim ist sie am geringsten, bei einem umarmenden Reim am größten. Zwei Versarten sollten Sie kennen, die sich durch eine bestimmte Abfolge der Versfüße auszeichnen: den Alexandriner , einen Vers, der aus sechs Jamben besteht und in der Lyrik der Barockzeit häufig vorkommt. Der reimlose Blankvers kommt im deutschen Drama sehr häufig vor und besteht aus fünf Jamben. Von den festen Strophenformen sollten Ihnen Sonett und Volksliedstrophe geläufig sein. Das Sonett setzt sich aus 14 Zeilen zusammen, die auf zwei vierzeilige (= Quartette) und zwei dreizeilige Strophen (= Terzette) aufgeteilt sind (häufiges Reimschema abba abba cdc cdc). Die Volksliedstrophe hat vier Zeilen mit je drei oder vier betonten Silben. Die Anzahl der unbetonten Silben ist frei. Ein Kreuzreim hält die Verse zusammen. Über den Rhythmus, die sprachliche Umsetzung eines Gedichts im Vortrag, verallgemeinerbare Aussagen zu machen, ist deswegen unmöglich, weil jedes Gedicht einen eigenen Rhythmus hat. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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