sprachreif, Schreibkompetenztraining: Analytische und interpretatorische Textsorten

19 3. 1 — Die Zusammenfassung sich alle in einen der Särge, die Hände werden ver­ bunden und der Deckel geschlossen. Die zwei hammerähnlichen Schläge auf den Deckel sind nur Show. Etwa 15 Minuten verbringen die „Toten“ im dunklen Kasten – Zeit, die sie nutzen sollen, um über ihr eigenes Leben nachzudenken. Dann ist die gespielte Bestattung zu Ende. „Happy dying“ heißen die Kurse, die laut Veranstalter zur Medita­ tion über die Beziehung von Tod und Leben anre­ gen sollen. Glückliches Sterben. Die Aktion ist der Höhepunkt eines etwa vierstün­ digen Seminars. Alles geschieht freiwillig. Und was einem westlichen Teilnehmer bizarr und vielleicht makaber vorkommt, liegt in dem ostasiatischen Land schon seit längerem im Trend. Darin spiegelt sich auch die wachsende Sehnsucht der vom Alltag gestressten Koreaner nach einem glücklicheren Le­ ben wider. Den Menschen soll neue Lebensfreude vermittelt werden. Die Liste der Teilnehmer reicht vomOber­ schüler bis zum Rentner. Und das Interesse wach­ se, sagen die Anbieter. Viele Unternehmen und Verbände meldeten ihre Beschäftigten oder Mit­ glieder an, sagt Seminarleiter Kim Ki Ho, dessen Firma Beautiful Life die Kurse im Tempel der buddhistischen Organisation Nungin Sunwon seit 2004 anbietet. Die Teilnehmer zahlen dafür 50.000 Won (etwa 36 Euro). Kritiker wie der Todesforscher Kim Cha Young von der SogangUniversität sprechen sogar von ei­ ner „Industrie der ScheinBestattung“. Einige An­ bieter wollten damit nur Geld machen, meint Kim. „Sie nutzen die Angst vor dem Tod aus.“ Kim Ki Ho sieht das selbstverständlich anders: „Viele Menschen kommen, weil sie ihr Leben än­ dern wollen.“ Die Konfrontation mit dem Tod solle ihnen den Wert des Lebens wieder näherbringen, sagt der 50Jährige. „Die eigenen Gedanken ande­ ren mitzuteilen, hilft sehr.“ Während Firmen ihre Mitarbeiter in die Seminare schicken, um die Arbeitsmotivation zu stärken, gibt es auch noch einen anderen Grund. So ver­ weist Kim Ki Ho auch auf die hohe Suizidrate des Landes. Ein Grund dafür sei der Wettbe­ werbsdruck, der hier besonders stark sei und die Menschen unglücklich mache. In der Hauptstadt Seoul waren Selbsttötungen im vergangenen Jahr laut offizieller Statistik die häufigste Todesursache für Menschen zwischen zehn und 39 Jahren. Die Todesseminare stehen nicht immer in Verbin­ dung mit religiösen Lehrprogrammen wie etwa im Tempel. Die Coffin Academy (SargAkademie) ist nach Berichten südkoreanischer Medien einer der größten Anbieter. „Emotion, Synergie, Business“ heißen die Schlagworte. „Wir akzeptierten maxi­ mal 60 bis 80 Teilnehmer“, sagt Firmenchef Jung Joon. Die katholische Wohlfahrtseinrichtung Kkottongnae in der Nähe von Seoul bietet die „SargErfahrung“ bereits seit Ende der 1990erJah­ re an. Dort heißt das „Neugeburt“. Die beiden 36 Jahre alten Freundinnen Park Young Yim und Kim So Yub aus Seoul erleben das Semi­ nar in demTempel auch als „spirituelle Erfahrung“. Von den Teilnehmern an diesem Tag ist niemand Buddhist. In einem Raum des ZenZentrums be­ antworten sie Fragen zu ihren Wünschen und Ent­ täuschungen und verfassen einen Abschiedsbrief. Sie sei gekommen, weil sie der plötzliche Tod des Popsängers Shin Hae Chul – in Südkorea auch als „König der Dunkelheit“ bekannt – betroffen ge­ macht habe, sagt Park. Kurz vor dem Tod des 46Jährigen im Oktober habe sie noch ein Inter­ view mit ihm gesehen. „Ich kann jeden Moment sterben und ich habe meiner Familie und meinen Freunden noch so viel zu sagen.“ Park und ihre Freundin wollen den Kurs unbedingt weiteremp­ fehlen. Andere erhoffen sich einfach nur Inspira­ tion. Ein junger Mann sagt: „Ich lebe ein langweili­ ges Leben, ich wollte eine sinnvolle Erfahrung ma­ chen.“ : http://www.salzburg.com/nachrichten/welt/chronik/sn/artikel/happy-dying-suedkoreaner-ueben-das-sterben-131706/ ; 21. 12. 2014 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 58 60 62 64 66 68 70 72 74 76 78 80 82 84 86 88 90 Überprüfen Sie nun nochmals folgende Punkte und vergleichen Sie diese gegebenenfalls im Unterricht: Sind die wesentlichen Aussagen der einzelnen Absätze vorhanden? — Sind die Formulierungen klar und präzise, sodass die Grundaussagen des Ausgangstextes erhalten und nach- vollziehbar bleiben? — Gibt es ungenaue Formulierungen, die zu Missverständnissen führen könnten? Versuchen Sie nun Distanz zum Ausgangstext herzustellen. Schauen Sie nur auf Ihre Notizen und rekonstruieren Sie gedanklich die wichtigsten Aussagen des Textes, wobei Sie besonders auf den logischen Ablauf achten sollten. Sie haben bereits wichtige Arbeitsschritte für die Zusammenfassung absolviert und können diese nun auch schriftlich ausführen. Ü6 Nur zu Prüfzwecken E – Eigentum des Verlags öbv

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