sprachreif, Schreibkompetenztraining: Argumentative und appellative Textsorten

93 3. 6 — Empfehlung Was liest man da etwa über Goethes „Werther“? „Hätte sich dieser Lappen nur gleich erschossen, als er angefangen hat, rumzuheulen, wäre mir eini- ges erspart geblieben. Hemingway hätte den ge- samten Inhalt auf einer Seite besser rüberbringen können.“ Oder: „Dieses Buch ist selbst unter dem niedrigen Niveau Goethes. Außerdem besitzt Werther keinerlei Tiefgang, und somit fehlt dem Leser jegliche Identifikationsmöglichkeit, außer er besitzt einen ähnlich miserablen Charakter.“ Goethe „labert“ Kurz fällt das Urteil eines anderen Lesers über Goethe aus: „Er labert.“ Natürlich wird auch jeder Bibelkäufer von Amazon dazu eingeladen, eine Rezension zu schreiben. „Mrs Betty Bowers“ erklärt sich enttäuscht: „Ich weigere mich, die kostbaren Seelen meiner christli- chen Kinder mit lasziven Geschichten von Töch- tern zu vergiften, die ihren Vater betrunken ma- chen … (Genesis 19:30–38) (…) „Nicht zwingend im Buchregal stehen“ muss Flau- berts Roman „Emma Bovary“ für eine weibliche Userin – über derlei Affären könne man doch heu- te täglich in der Regenbogenpresse lesen. Ein ande- rer Kunde erklärt, warum er Samuel Becketts „Warten auf Godot“ nicht zu Ende gelesen hat: weil ihm „schon bald klar wurde, dass es eben darum geht: Es gibt kein Ende.“ Unfreiwillige Komik, gewollter Spott? Das ist oft schwer zu unterscheiden. Ebenso wie die Grenze zwischen Dummheit und Wahrheit – etwa, wenn es um die Antiquiertheit gewisser ewiger „Schul- lektüren“ geht. Und haben nicht selbst die größten Thomas- Mann-Fans schon einmal kurz gefühlt wie die ernsthaft bemühte Leserin, die nach einer seiten- langen Möbelbeschreibung meint: „Der Leser kann sich natürlich so ein genaues Bild von der Umgebung machen, aber man fragt sich doch, ob das sein muss.“ Netz-Zitate „Wahlverwandtschaften“ „Ja, also, ich bin relativ unwissend in die Story reingegangen, wusste nicht, was die Handlung ist, und erst recht wusste ich nicht den Ausgang. Gleich die ersten Seiten ließen einen bereits erah- nen, dass beziehungstechnisch einiges los sein wird. Leider hab ich das Buch an diesem Punkt nicht beiseite gelegt. Und so kommt es nicht nur am Schluss zum Schlimmsten, sondern sogar zu Katastrophen. Ich frage mich, wieso Goethe nichts Besseres einfallen konnte, um seine Message (die sowieso unklar bleibt) rüberzubringen. Ich bin je- denfalls von Goethe bedient.“ „Faust I“ „Ich bin kein Goethe-Fan und lese sonst auch eher Krimis, aber der Tragödie erster Teil kann man sich durchaus mal gönnen.“ „Der Plot ist aus heutiger Sicht mittelmäßig; Fausts Midlife-Crisis könnte aus jeder drittklassigen Soap-Opera stammen. Die Mär vom Teufel und der Seele ist für Leser, die weder an das eine noch an das andere glauben, im besten Fall ermüdend. Die textliche Umsetzung des Werkes ist mehr als bescheiden.“ „Die Bibel“ „Man kann das Buch unter sein Billy-Regal legen, wenn man eins hat und der Boden uneben ist. Okay, der Boden muss schon sehr uneben sein, um durch das komplette Buch ausgeglichen zu wer- den.“ „Romeo und Julia“ „Ich habe dieses Buch gekauft, weil ich dachte, es wäre normal zum Lesen, doch es ist ein Theater- stück und auch so gegliedert.“ (…) „Hamlet“ „Natürlich wird Willy als der beste Schreiber aller Zeiten bejubelt, aber das kommt nur daher, dass britische Medien den Mann hypen, nach 400 Jah- ren.“ quelle: Die Presse, Print-Ausgabe, 05. 01. 2013 50 52 54 56 58 60 62 64 66 68 70 72 74 76 78 80 82 84 86 88 90 92 94 96 98 100 102 104 106 108 110 112 114 116 118 120 122 124 126 128 Unterstreichen Sie jene Stellen im Text, die Ihnen sprachlich zu flapsig bzw. den besprochenen Autorinnen/ Autoren gegenüber zu respektlos erscheinen. Suchen Sie angemessene Formulierungen für eine von Ihnen ausgewählte Stelle. Antworten Sie der Verfasserin/dem Verfasser auf eine im Text angeführte Buchkritik (zwei bis vier Sätze). Verfassen Sie eine Buchkritik für einen großen Internet-Buchanbieter, der Sie darum gebeten hat, ein kürzlich erworbenes Buch unter Anführung von Gründen zu empfehlen oder nicht zu empfehlen. Schreiben Sie zwischen 100 und 150 Wörter. Ü1 Ü2 Ü3 Ü4 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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