sprachreif, Schreibkompetenztraining: Argumentative und appellative Textsorten

77 3. 4 — Offener Brief h) Fragen Wollt ihr bitte/wohl lesen(?)(!) Werdet ihr endlich anfangen zu lesen? Könnt ihr nicht lesen? i) Konjunktiv I Man lese das Kapitel 1. Man möge zu lesen beginnen. j) Konjunktiv II als Mittel der Höflichkeit Würdet ihr bitte lesen? k) Ellipsen in standardisierten Situationen Feuer! Hilfe! Pinzette! Tupfer! Genug! (Statt: Achtung, hier brennt ein Feuer! Kommen Sie mir bitte zu Hilfe! Geben Sie mir bitte die Pinzette!) Wann setzt man ein Rufzeichen? Mit dem Rufzeichen gibt man dem Inhalt eines Satzes einen besonderen Nachdruck. Daher können nicht nur Aufforderungssätze und Wünsche, sondern auch Aussagesätze mit einem Rufzeichen abgeschlossen werden: Dieses Buch ist eine Sensation! Dagegen müssen Aufforderungssätze nicht mit einem Rufzeichen beendet werden, z. B. wenn sie höflich formuliert sind: Lesen Sie das Kapitel bitte bis morgen. (Siehe ÖWB 2012, S. 1030- 1032) Lesen Sie das folgende Plädoyer „Die Stadt vom Auto befreien!“ aus der Tageszeitung „Der Standard“ vom 25. 10. 2012: Plädoyer 1 für eine radikale Reduktion des privaten Wohnraums „Auto“ im öffentli- chen Raum Es ist im Straßenbild deutlich erkennbar: Die Aus- weitung der Parkraumbewirtschaftung hat weitere Wiener Bezirke von der automobilen Belagerung befreit […]. Es ist nur eine Frage der Zeit und der Vernunft, bis das Problem für ganz Wien gelöst sein wird. Das Problem der Pendler kann niemals am Zielort, sondern immer nur am Ausgangs- punkt der Verursachung gelöst werden. […] Denn Tatsache ist, dass die europäische Stadt mit einer weiteren Vorherrschaft des privaten Automo- bils ihre Funktionsfähigkeit heute und in Zukunft nicht mehr aufrechterhalten kann. Deshalb ist die Einschränkung und Reglementierung der indivi- duellen Besetzung des öffentlichen Raums durch private Automobile die einzige Möglichkeit, Le- bensraum und Mobilität für alle Bewohner zu- rückzugewinnen. Wir müssen in allen europäischen Städten, auch in Wien, den privaten Autoverkehr dramatisch redu- zieren zugunsten eines für alle zugänglichen öf- fentlichen Raums, der durch die europäische Stadtstruktur historisch gegeben und nicht ver- mehrbar ist. Die urbane Struktur der europäischen Stadt […] wurde nicht für Autos, sondern für Pfer- de gestaltet. Dieser Einsicht folgten in den letzten Jahren die Stadtplaner aller westeuropäischen Länder. Mit er- folgreicher City-Maut in skandinavischen Me- tropolen, mit radikalem Rückbau von innerstädti- schen Autostraßen in Frankreich, Spanien oder der Schweiz. Die Exhibition Road im Zentrum Lon- dons wurde als Shared Space gestaltet, bei dem sich Fußgänger, Radfahrer und Automobile friedlich denselben Straßenraum teilen. […] Aber man muss auch die Autokanäle selbst redu- zieren. Die wichtigste Stadtausfahrt von Madrid in Richtung Portugal wurde auf eine Fahrspur zu- rückgebaut, die Haupterschließung des neuen Stadtteils Öresund in Kopenhagen überhaupt nur mit einer Fahrspur gestaltet, die sich der private Pkw mit dem öffentlichen Bus und den Wartezei- ten vor seinen Haltestellen teilen muss. […] Es ist evident, und westeuropäische Städte zeigen dies, dass eine Reduktion und Verlangsamung des Autoverkehrs auch die anderen Verkehrsteilneh- mer entspannt. Es senkt auch die Aggressivität der Radfahrer. Warum diese westeuropäische Entwicklung der Verkehrspolitik in deutschen und österreichischen Städten noch nicht vollzogen wird, hat meiner Ein- Die Stadt vom Auto befreien! Kommentar der anderen | Dietmar Steiner, 24. Oktober 2012, 18:35 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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