sprachreif, Schreibkompetenztraining: Argumentative und appellative Textsorten
76 3. 4 — Offener Brief bewirken. Auf die Frage „Wie spät ist es?“ möchten Sie im Normalfall eine Uhrzeit hören. Schicken Sie in einer Unterrichtsstunde jemandem die SMS „urfaaad, gähn“, dann wollen Sie, dass die Empfängerin/der Empfänger erfährt, wie es Ihnen gerade geht, vielleicht Mitleid mit Ihnen empfindet oder sogar zurückschreibt. Wenn Sie etwas Spannendes erzählen, möchten Sie, dass andere zuhören, eventuell mitfiebern oder Sie vielleicht sogar bewundern. Mit der Frage, mit der SMS und mit der Erzählung haben Sie also andere indirekt aufgefordert, Ihnen die Uhrzeit bekanntzugeben, ein Gefühl mit Ihnen zu teilen und Ihnen zuzuhören. Aufforderungen (Appelle) können aber auch direkt ausgesprochen werden: „Sag mir bitte, wie spät es ist!“ „Unternimm etwas gegen meine Langeweile!“ „Horch mir zu!“ Appellieren im engeren Sinn bedeutet, dass man jemanden ausdrücklich zu etwas auffordert. Man will jemanden dazu bringen, dass er eine bestimmte Meinung einnimmt (= Meinungsbeeinflussung) und/oder bestimmte Taten ausführt oder unterlässt (= Verhaltensbeein- flussung) (vgl. Brinker 2010, S. 101). Die sprachlichen Formen des Appellierens a) Der Imperativ Lies dieses Gedicht! Lesen Sie bis morgen das dritte Kapitel! Die direkteste Sprachform, jemanden aufzufordern, ist der Imperativ (dt. Bezeichnung: Befehlsform). So stehen die Operatoren in Schreibaufgaben immer im Imperativ: „Verfassen Sie einen Leserbrief.“ „Erörtern Sie …“, „Fassen Sie wesentliche Aussagen des Textes zusammen.“ Verwendet wird hier die Höflichkeitsform des Imperativs in Verbindung mit dem großgeschriebenen Höflichkeitspronomen „Sie“. Insgesamt gibt es drei Imperativformen : DU-Imperativ Singularform des Imperativs IHR-Imperativ Pluralform des Imperativs SIE-Imperativ Höflichkeitsform des Imperativs Schreibe! Schreib! Lies! Vergiss es nicht! Verzeih bitte! Sei ein wenig toleranter! Schreibt! Lest! Vergesst es nicht! Verzeiht bitte! Seid ein wenig toleranter! Schreiben Sie! Lesen Sie! Vergessen Sie es nicht! Verzeihen Sie bitte! Seien Sie ein wenig toleranter! Bei der DU-Form fällt das Endungs-e oft weg (besonders in der gesprochenen Sprache). Bei Imperativsätzen steht das Verb am Satzbeginn; (Allerdings: Bitte, lesen Sie … ) Des Öfteren sind Imperative mit Redepartikeln verbunden: Vergesst ja/bloß nicht auf die Leseaufgabe! b) Verben, die eine Bitte und/oder Aufforderung ausdrücken in Verbindung mit einem Infinitiv oder einem dass-Satz: auffordern, anordnen, beantragen, befehlen, bestehen, bitten, (an)raten, empfehlen, erwarten, verlangen, beauftragen usw. Ich bitte euch weiterzulesen. Ich bestehe darauf, dass ihr das folgende Kapitel lest. c) Aussagesatz im Präsens oder Futur (evtl. unterstützt durch Adverb/Adverbial) Du liest jetzt dieses Kapitel! Du wirst sofort dieses Kapitel lesen! d) Passiv Diese Seite wird sofort gelesen! Jetzt wird gelesen! Es wird aufgepasst! e) Modalverben (müssen, sollen, mögen, dürfen, können, wollen) in Verbindung mit dem Verb der Handlung, die ausgeführt werden soll: Im Aussagesatz: Ihr sollt dieses Kapitel bis morgen lesen. Ihr dürft nicht aufs Lesen vergessen. In Verbindung mit einem dass-Satz: Ich möchte, dass ihr dieses Kapitel bis morgen lest. In Verbindung mit dem Futur: Du wirst mehr lesen müssen! In Verbindung mit dem Passiv: Dieses Kapitel muss gelesen werden. f) Infinitiv oder Infinitiv mit zu Lesen! Kapitel 1 ist bis morgen zu lesen! g) Perfektpartizip Genug gelesen! Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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