Deutsch – Mündliche Reifeprüfung, Maturatraining

2. 24 — Nachrichtenmedien und Journalismus Text 2: Eingebrachte Beschwerden beim Österreichischen Presserat (2011–2013) (Auswahl, gekürzt und anonymisiert) 2 4 6 8 10 12 14 16 18 a. In einem Bericht zum Raubüberfall auf eine Taxilenkerin hieß es: „Kurz vor dem Ziel zückte der Südländer (einer von hunderten kriminellen Ausländern, die unsere Heimat unsicher machen) ein Messer.“ (Vorarlbergausgabe ei- ner großen Tageszeitung, 23. 12. 2012) b. Eine Gratiszeitung berichtete über eine kenianische Frau, die in einer Wiener U-Bahn-Station von einem Mann auf die Geleise gestoßen und dabei verletzt worden war. Dem Artikel war ein verpixeltes und mit einem schwar- zen Balken versehenes Agenturbild beigegeben, das irgendeine schwarze Frau zeigt und mit dem Wort „Symbol­ foto“ gekennzeichnet war. Im Artikel selbst gab es keinen Hinweis darauf. (Artikel in einer Gratis-Tageszeitung, 08. 01. 2013) c. Eine Gratiszeitung bezeichnete in einem Kommentar einen Politiker in der Überschrift als „Psycho“; im Kommen- tar finden sich folgende Aussagen: „Wenn jemand nur Stunden nach dem Norwegen-Massaker mit 76 Toten sagt, dass ‚die islamistische Gefahr in Europa schon tausendmal öfter zugeschlagen hat‘, ist er entweder wo ang‘rennt - oder ein Psycho.“ (Gratis-Tageszeitung, 24. 08. 2011) d. Im Zuge der Berichterstattung über die Tötung des ehemaligen Diktators von Libyen, Gaddafi, wurden in den unterschiedlichsten Medien Fotos des sterbenden bzw. getöteten Diktators gebracht. Diese Fotos waren in unter- schiedlichem Maße blutig, abschreckend, entwürdigend und abstoßend. e. In einer Tageszeitung wurde über die angebliche Luxus-Wohnung der Lebensgefährtin eines Parteiobmanns be- richtet. Der Redakteur habe offenbar die Nachbarschaft befragt und versucht, im Rathaus an nähere Daten heran- zukommen. (30. 03. 2013) quelle : http://www.ots.at ; 23. 06. 2013. Tipps für die Weiterarbeit: Literaturtipp: Heinz Pürer, Meinrad Rahofer, Claus Reitan (Hg.): Praktischer Journalismus: Presse, Radio, Fernse­ hen, Online. Inklusive CD-ROM mit journalistischen Beispielen (Praktischer Journalismus). Konstanz: UVK 2004. Entschiedene Fälle können Sie auf der Homepage des Österreichischen Presserats nachlesen: http://www.presserat.at/show_content.php?hid=14; 24. 06. 2013. Ausgezeichnete Arbeitsmaterialien bietet der vom Verband der österreichischen Zeitungsherausgeber (VÖZ) gegründete Verein Zeitung in der Schule (ZIS). Homepage: www.zis.at TIPP . Lösungsmöglichkeiten: ― Grundsätze und Intention des Ehrenkodex: Der Ehrenkodex beschäftigt sich mit der besonderen Verantwortung von im Journalismus Tätigen und gibt Hinweise für die Grenzen journalistischer Tätigkeit. Stichwörter: Redlichkeit in der Recherche und Darstellungsweise, frei von Einfluss, Abwägung von Interessen der Öffentlichkeit und Wahrung der Persönlichkeitsrechte und Intim­ sphäre. Neben der ethischen Frage geht die Intention auch in Richtung Förderung von Demokra­ tie und friedlichem Zusammenleben sowie Absage an Rassismus, Nationalismus, Hetze etc. ― Vorgangsweise und Absicht beanstandeter Berichterstattungen/Vereinbarkeit mit Ehrenkodex bzw. Pressefreiheit: Die Frage nach Vereinbarkeit ist nicht (immer) eindeutig beantwortbar, es geht großteils um die Pole Informationswert vs. niedere Beweggründe und öffentliches Interes­ se vs. Schutz der Person. a) Begriff Südländer: Eine Region wird mit Kriminalität in Verbindung gebracht. Pauschalie­ rung und Vermischung zwischen Bericht und Kommentar durch den Klammereinschub. Es ist natürlich zulässig, die Herkunft eines Menschen anzuführen, wenn das Informationswert hat. Aber die vorliegende Satzverbindung kann bei Leserinnen und Lesern zur Schlussfolge­ rung führen: Ausländer, insbesondere Südländer, sind großteils kriminell; die Ersetzung von Vorarlberg oder Österreich durch „unsere Heimat“ legt nahe, dass Menschen ausländischer Herkunft hier keine Heimat haben können. Grundsätze 3.1., 5.4., 5.5. sind hier wohl relevant. 86 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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