Deutsch – Mündliche Reifeprüfung, Maturatraining

2. 20 — Sprachentwicklung, Sprachwandel und sprachliche Varietäten 86 88 90 92 94 96 98 100 102 104 106 108 110 112 114 116 118 da sprach fani zur schlange: „von den früchten der wal- desbäume dürfen wir essen. nur von der frucht des bau- mes in der mitte des waldes hat der himmelvater gesagt: davon dürft ihr nicht essen, ja, nicht einmal daran rüh- ren, sonst müßt ihr sterben.“ die schlange sprach zu fani: „aber nein, auf keinen fall werdet ihr sterben! vielmehr weiß der himmelvater, daß hödlmoser und dir die augen aufgehen, sobald ihr da- von eßt; 2 junge götter werdet ihr sein.“ da sah fani, daß der baum köstlich war zum speisen und eine wollust nicht nur den augen und berückend war der baum, um zur erkenntnis zu gelangen. so nahm sie von seiner frucht und so wurde die frucht fani ein- verleibt. Hinweis zum folgenden Textabschnitt: Ein junger Mann aus Kumpitz, den Hödlmoser gut kennt, hat seinen klei- nen Sohn erschlagen, weil er sich durch das Weinen des Kindes gestört fühlte. Regieanweisung zu Hödlmosers Meinung über den Zeitungsartikel, betreffend den Kumpitzer Kindes- mord „gar nicht bramarbasierend“, denkt hödlmoser schon nach den ersten gelesenen zeilen. „das klischee einer blutigen zeitungsgeschichte hat er wohl verwendet, der autor“, denkt hödlmoser, „aber mit einem nicht zu unterschätzenden realitätssinn!“ „sehr bewußte formulierungen“, konstatiert hödlmoser, „sehr differenziert!“ „da ist der rote faden!“ frohlockt hödl- moser: „hier wird die brutalität durchgezogen, und zwar durch die kumpitzerische gesamtproblematik, die immer wieder gehaltvoll erläutert wird.“ hödlmoser bewundert die linguistisch-äquilibristische kunstleistung, in der die kumpitzerische individual- problematik immer mit der totalproblematik konfron- tiet, nicht aber aufgehoben wird. „dem autor ist eine farbige exaktheit der erzählweise zu eigen, die ihres- gleichen sucht“, denkt hödlmoser. „diese mit dem stig- ma einer gereiften persönlichkeit versehene sprachliche artikulation triumphiert nicht durch kleinkrämerische detailbesessenheit, sondern durch den dauernden blick auf das GANZE“ […] hödlmoser bewundert die innere logik des inneren auf- baues des dramatischen werkes. „dieses werk hat seine spezielle relevanz in der darstel- lung von besonders bewußtseinsverändernden um- stands- und handlungsbeschreibungen“, faßt hödlmo- ser zusammen. „man kann gespannt sein, mit welchen arbeiten uns dieser autor noch überraschen wird!“ Steirische Aggressionsgeschichte „was hast denn vater?“ sagt schurl zu hödlmoser. ohne zu zögern gibt hödlmoser schurl eine Ohrfeige. Regieanweisung zu Hödelmosers Reflexionen Anmerkung: Schurl ist mit dem neuen Fahrrad viel zu schnell unterwegs und Fani bittet Hödlmoser, dem Jun- gen nachzufahren. Hödlmoser steigert die geschwindigkeit, um einen ak- tenkundigen unfall schurls zu verhindern. Noch im- mer muß hödlmoser befürchten, daß schurl mit dem schnellen fahrrad kumpitz verlassen wird und eines ta- ges nach dem vagabunden- und landstreichergesetz ab- geurteilt werden wird. Zum glück fällt hödlmoser auch das Unsch-VerurtG- ein. denn er hält schurl für unsch. „in diesem falle müßte ich sogar die BMfJ. und fInn. anrufen, denn sowohl die ZPO. als auch die StPO., im bes. aber das TilgG. 1951 sind so lückenhaft und ab- schreckend, das sie überhaupt nicht vom StGG. gedeckt sein können!“ […] Anläßlich seiner väterlichen sorgepflicht mahnt nun hödlmoser schurl mit einem schrei zur vorsicht. […] quelle : Reinhard P. Gruber: Aus dem Leben Hödlmosers. Ein steirischer Roman mit Regie. Mit Zeichnungen von Pepsch Gottscheber. München: TBV 1991, 5. Auflage. 120 122 124 126 128 130 132 134 136 138 140 142 144 146 148 150 152 154 Zusatzinformation Reinhard P. Gruber wurde 1947 in Fohnsdorf in der Steiermark geboren und studierte katholische Theologie in Wien. Anschließend arbeitete er als Kulturredakteur in Graz und lebt seit Ende der siebziger Jahre als freier Schriftsteller in Stainz in der Weststeiermark. Er setzt sich satirisch-ironisch mit seiner steirischen Heimat auseinander. Seine Werke umfassen Romane, Kurz­ prosa, Theaterstücke, Essays, Musicals und Aphorismen. Des Weiteren schreibt er Hörspiele und Drehbücher für Filme. 75 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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