Deutsch – Mündliche Reifeprüfung, Maturatraining

2. 20 — Sprachentwicklung, Sprachwandel und sprachliche Varietäten Text: Reinhard P. Gruber: Aus dem Leben Hödlmosers. Ein steirischer Roman mit Regie (1973) (Ausschnitte, teilweise gekürzt; in alter Rechtschreibung) 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 Anmerkung: Der Roman bietet eine drastisch-komisch überzeichnete Darstellung vom Leben auf dem Lande und den damit verbundenen Problemen, verortet in der Weststei- ermark. Die Hauptfigur ist der Bauer Hödlmoser, der einen Hang zum Alkohol hat, ger- ne rauft, wildert und manchmal auch gewalttätig wird. Die Handlung, die aus kurzen, meist in sich geschlossenen Teilen besteht, wird immer wieder von „Regieanweisungen“ unterbrochen, in denen das Geschehen in sprachlich und intellektuell anspruchsvoller Form reflektiert bzw. kommentiert wird. Die steirische Liebesgeschichte an einem strahlenden aprilmorgen des jahres 1966 steht hödlmoser brunftig wie ein hirsch von seinem harten bett auf. des nachts hat er sich öfters unruhig umherge- wälzt. er wäscht seinen ganzen körper mit dem quell- klaren, eiskalten brunnenwasser, was auch seine selige mutter, die alte hödlmoserin, öfters mit ihm gemacht hat. schnell treibt er noch sein rindvieh auf die wiese, und dann trinkt er zum frühstück 2 krügel most. nach- dem er auch noch ein schweres stück speck gegessen hat, treibt ihn die brunft fort von seinem einsamen hof. „heut soll mir nur das kittelvolk unterkommen!“ lacht hödlmoser auf dem weg nach kumpitz. […] als hödlmoser in kumpitz ankommt, hat er schon wie- der einen sehr großen durst. […] „könntest auch eine frau brauchen“, sagt der wirt zu hödlmoser. „zum heiraten mein ich. alt genug wärst ja schon!“ „ach was, heiraten“, gibt hödlmoser zurück und schaut gelangweilt aus dem fenster. auf einmal reißt es hödlmoser. „zahlen tu ich später“, ruft er noch, als er zur tür hinausstürzt. der wirt sieht den jungen siebenbäck entgeistert an und der junge siebenbäck sieht den wirt an. „was hat er denn?“ fragt der junge siebenbäck. „ich glaub, die hinterleitner fani ist mit ihren kühen vorbeigegangen“, sagt der wirt und schüttelt den kopf. „sowas!“ meint der junge sieben- bäck. dann trinken sie noch ein bier. […] „was hast denn mit der fani angstellt?“ fragt der wirt den fröhlichen hödlmoser. […] dann bringt der wirt von selber einen doppelliter und nun erzählt hödlmoser genau, was sich im kumpitzer wald abgespielt hat. hödlmoser erzählt so packend, daß er für 6 doppelliter keinen groschen zahlen muß. Regieanweisung zur Szene Hödlmoser/Fani hödlmoser und fani sind im wald. fani und hödlmoser betreten die verschiedensten waldwege. in der mitte ei- nes der waldwege unterbricht hödlmoser seine bisheri- ge kommunikation mit fani. sie hat im vollzug creativen sich-in-die-augen-sehens bestanden. nun spricht hödlmoser: „kannst du das futurum anti- zipieren?“ die so angefragte fani errötet leicht, denn längst hat sie den hintergründigen sinn transzendiert. „du, du!“ denkt fani; aber sie sagt es nicht hödlmoser, denn sie will sich nicht in eine vorgetäuschte opposition zu hödlmoser begeben. da tritt hödlmoser auf fani zu. obwohl fani aus der struktur der hödlmoserischen annäherung eindeu- tig den ablauf des folgenden geschehens folgern kann, stoppt hödlmoser plötzlich, und, nachdem ihm die funktion des seufzens nach kritischer prüfung als fördernd für den weiteren fortschritt seiner werbung erschienen ist, seufzt er nahe vor fani stehend tief vor liebeslust. diese verzögerung wird von fani als konser- vativer restbestand konstatiert. hödlmoser seufzt nun und ergreift faktisch mit seiner rechten hand liebesvoll die linke hand fanis. fani ihrer- seits setzt den rechten händedruck hödlmosers syste- matisch fort. […] hödlmoser denkt noch: „ich denke, jetzt gehen unsere intentionen völlig konform. zwischen uns besteht nun eine erwartungsäquivalenz.“ […] hinterher gnostiziert hödlmoser, daß die sinn(en)-pro- gression, wenn sie sich dem excesse nähert, durch die einschränkung des speculativen denkens ausgezeichnet ist. hödlmoser kommt zur feststellung einer potentieller- weise automatischen limitierung des menschlichen abstrahierungsvermögens zugunsten der fleischlichen aktivierung. „die libidinöse aktivierung, die eine sozio- logisch bestimmte, spezifische kommunikationsmög- lichkeit im interhumanen bereich darstellt, und die: zur interaktion vorschreitet, stellt sich als exemplarische nicht-, ja sogar antisprachliche vermittlung des zwi- schenmenschlichen dar.“ hödlmoser weiß noch nicht, daß er schurl produziert haben wird. Variante zur Regieanweisung zur Szene Hödlmoser/ Fani die schlange aber ist schlauer gewesen als alle tiere des waldes, die der himmelvater gemacht hat. und so sprach sie zu fani: „hat der himmelvater wirklich gesagt: ihr dürft von keinem baum des waldes essen?“ 44 46 48 50 52 54 56 58 60 62 64 66 68 70 72 74 76 78 80 82 84 74 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des V rlags öbv

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