Deutsch – Mündliche Reifeprüfung, Maturatraining

2. 10 — Interkulturalität und Transkulturalität in der Gegenwartsliteratur Zusatzinformation Dimitré Dinev wurde 1968 in Bulgarien geboren. Nach seinem Armeedienst in Bulgarien flüchtete er nach Ös­ terreich, wo er einige Zeit im Flüchtlingslager Traiskirchen verbrachte. Seit 1986 veröffentlicht er in bulgarischer, russischer und deutscher Sprache. Große Beachtung fand sein Roman „Engelszungen“. Der australische Schriftsteller und Illustrator Shaun Tan (geboren 1974) zeigt in diesem „Graphic Novel“-Aus­ schnitt, der aus sehr eindringlichen Bildern besteht und kein einziges lesbares Wort enthält, wie ein Familien­ vater seine Heimat verlassen muss und unter großen Schwierigkeiten versucht, in einem fremden Land eine neue Existenz aufzubauen. Erst als ihm das gelingt, holt er seine Frau und seine kleine Tochter zu sich. An diesem vielfach preisgekrönten Buch hat Shaun Tan vier Jahre gearbeitet. Unter „Graphic Novels“ versteht man anspruchsvolle Comics in Buchformat, die erzähltechnisch und thematisch komplex sind und sich vorwiegend an erwachsene Leserinnen und Leser wenden. Tipps für die Weiterarbeit: Dimitré Dinevs Roman „Engelszungen“ umfasst ca. 600 Seiten und ist sehr humorvoll und spannend geschrie­ ben. Als ein Familienepos, das die Geschichte Bulgariens im 20. Jahrhundert darstellt, ist es auch aus histori­ scher Sicht ein sehr empfehlenswertes Buch. Migration nach Österreich und Probleme der Integration sind weitere thematische Schwerpunkte. Graphic Novels erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Als Einstieg in diese für viele noch neue literarische Gattung empfehlen sich auch einige sehr gelungene Verfilmungen: Marjane Satrapi „Persepolis“ (2001). Eine Kindheit im Iran. Jugendjahre. (Flucht einer jungen Frau aus dem Iran) – oder: Keiji Nakazawa (1996): Barfuß durch Hiroshima. Kinder des Krieges. Der Tag danach. Ausschnitte zu den Verfilmungen der beiden Graphic Novels finden sich auf Youtube. TIPP . Lösungsmöglichkeiten: ― Inhalt: Dinev: zeigt den mühevollen Weg von der Heimat in die Fremde; beschreibt Stationen der Flucht mit den damit verbundenen Gefahren; weist auf die besonderen Schwierigkeiten eines Schriftstellers/einer Schriftstellerin hin, in der Fremde beruflich Fuß zu fassen. ― Dan: Die Bilder zeigen die Migrationsgeschichte eines Mann, dessen Personaldaten nach der Ankunft in einem neuen Land behördlich erfasst werden. ― Diagramm: stellt mögliche Folgen von Migrationsprozessen und deren Auswirkungen auf die menschliche Psyche dar (u. a. Entwurzelung, Entfremdung, existentielle Unsicherheit, Desoziali­ sierung und Reorientierung …) Analyse der unterschiedlichen sprachlichen und bildlich-symbolischen Ausdrucksweisen: ― Dinev: Der Essay, der in leicht verständlicher Sprache verfasst ist, zeichnet sich durch anspre­ chenden flüssigen Stil und sprachlichen Witz aus. Der ironische Stil steht in bewusstem Gegen­ satz zur Problematik der behandelten Themen Migration, Integration und Abschiebungsgefahr. („Also, um in der Fremde schreiben zu können, muss man in der Fremde leben. Eine logische, für den Verstand sehr einfache Bedingung. Um in der Fremde leben zu können, muss man aber zuerst in die Fremde gelangen. Eine genauso logische, aber für den Körper sehr anstrengende Bedingung.“) ― Tan: Diese Graphic Novel zeichnet sich durch sehr eindrucksvolle Bilder aus; die Bildfolge zeigt auf bedrückende Weise die Hilflosigkeit eines Mannes, der in der Fremde gelandet ist und den bürokratischen Anforderungen sprachlich (und psychisch) nicht gewachsen ist. Die Bildfolge ist auch ohne Begleittext leicht verständlich – die starke Wirkung geht allein von den Bildern aus, wobei jedes Einzelbild aussagekräftig ist. ― Diagramm: stellt die Folgen von Migration bis zur Neuorientierung in schematisch vereinfachter Weise dar; Beziehungen und Abhängigkeiten werden durch Pfeile angezeigt; sachorientiert; generalisierend; keine Hinweise auf Einzelschicksale … Übersichtlichkeit der Darstellung durch Abstrahierung und Vereinfachung trägt zum Verstehen komplexer Zusammenhänge bei. Große Informationsdichte gemessen am geringen Textumfang. 45 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des V rlags öbv

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