Deutsch – Mündliche Reifeprüfung, Maturatraining

1. 5 — Die Bedeutung der Operatoren bei der mündlichen Aufgabenstellung Er hatte sich eine Füllfeder gekauft. Nachdem er mehrmals seine Unterschrift, dann seine Initialen, seine Adresse, einige Wellenlinien, dann die Adresse seiner Eltern auf ein Blatt gezeichnet hatte, nahm er einen neuen Bogen, faltete ihn sorgfältig und schrieb: „Mir ist es hier zu kalt“, dann „ich gehe nach Südamerika“, dann hielt er inne, schraubte die Kappe auf die Feder, betrachtete den Bogen und sah, wie die Tinte eintrocknete und dunkel wurde, dann nahm er seine Feder erneut zur Hand und setzte noch großzügig seinen Namen Paul darunter. Dann saß er da. Später räumte er die Zeitungen vom Tisch, überflog da- bei die Kinoinserate, dachte an irgendetwas, schob den Aschenbecher beiseite, zerriß den Zettel mit den Wel- lenlinien, entleerte seine Feder und füllte sie wieder. Für die Kinovorstellung war es jetzt zu spät. Die Probe des Kirchenchores dauert bis neun Uhr, um halb zehn würde Hildegard zurück sein. Er wartete auf Hildegard. Zu all demMusik aus dem Radio. Jetzt dreh- te er das Radio ab. Auf dem Tisch, mitten auf dem Tisch, lag nun der gefal- tete Bogen, darauf stand in blauschwarzer Schrift sein Name Paul. „Mir ist es hier zu kalt“, stand auch darauf. Nun würde also Hildegard heimkommen, um halb zehn. Es war jetzt neun Uhr. Sie läse seine Mitteilung, erschräke dabei, glaubte wohl das mit Südamerika nicht, würde dennoch die Hemden im Kasten zählen, etwas müßte ja geschehen sein. Sie würde in den „Löwen“ telefonieren. Der „Löwe“ ist mittwochs geschlossen. Sie würde lächeln und verzweifeln und sich damit ab- finden, vielleicht. Sie würde sich mehrmals die Haare aus dem Gesicht streichen, mit dem Ringfinger der linken Hand beid- seitig der Schläfe entlangfahren, dann den Mantel auf- knöpfen. Dann saß er da, überlegte, wem er einen Brief schrei- ben könnte, las die Gebrauchsanweisung für den Füller noch einmal – leicht nach rechts drehen – las auch den französischen Text, verglich den englischen mit dem deutschen, sah wieder seinen Zettel, dachte an Palmen, dachte an Hildegard. Saß da. Um halb zehn kam Hildegard und fragte: „Schlafen die Kinder?“ Sie strich die Haare aus dem Gesicht. quelle : Winfried Ulrich: Arbeitstexte für den Unterricht. Deutsche Kurzgeschichten 11. –13. Schuljahr. Stuttgart: Philipp Reclam Jun. 1973, S. 12 f. Peter Bichsel: San Salvador (1963) (Text in alter Rechtschreibung) 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 Themenbereich: Analyse und Interpretation von Kurzgeschichten Peter Bichsel: San Salvador a. Deuten Sie den Text im Hinblick auf die Problematik der Beziehung. b. Benennen Sie die Elemente der Kurzgeschichte, die diesem Text zugrunde liegen. c. Erläutern Sie die emotionale Befindlichkeit des Protagonisten und setzen Sie diese in Beziehung zu seinen Äußerungen und Handlungen. Reihungsvorschlag der Operatoren: Lösung auf S. 13 Aufgabe 12 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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