weltweit 4, Geographie und Wirtschaftskunde, Schulbuch

Hunderte von Näherinnen, dicht gedrängt, schweigend vor ihren Nähmaschi- nen in einer heißen, stickigen Halle fast ohne Fenster. Aufseher kontrollieren ständig, beschimpfen die Frauen und treiben sie zu schnellerer Arbeit an. Für jeden Arbeitsschritt wie etwa das Nähen einer Schulternaht sind Sekun- denzahlen bis auf ein Zehntel berechnet vorgegeben. Häufig unbezahlte, aufgezwungene Überstunden, aber auch sexuelle Belästigungen, regelmäßi- ge Schwangerschaftstests, bewachte Toilettengänge – teils nur zweimal täg- lich erlaubt – Strafen für Zuspätkommen, eine Sechs- bis Siebentagewoche, und das alles für einen Hungerlohn, der die Existenz kaum sichert und sich an der Armutsgrenze bewegt! Wer sich weigert oder protestiert, braucht nicht wiederzukommen. Hier herrschen andere Regeln und Gesetze als im übrigen Staate. Der größte Teil der Beschäftigten sind Frauen im Alter zwi- schen 14 und 25 Jahren mit jungen, flinken Händen. Wer nichts bringt, erhält besonders belastende Arbeiten und wird herausgegrault. Frauen ab 30 ha- ben keine Chance auf Einstellung; sie sind zu alt, nicht schnell genug … Wohnen nahe der Fabrik in hässlichen, engen Wohnheimen, die nicht für Eltern mit Kindern gedacht sind, in umgebauten Viehpferchen oder in Slums am Rande der Stadt – das alles und noch viel mehr gehört zur Normalität dieser Frauen, die auf ihre Arbeit angewiesen sind. Ein gestelltes Horrorszenario? Keinesfalls! Unter solchen Arbeitsbedingun- gen werden etwa 80 Prozent unserer Kleidung überwiegend von Frauen hergestellt. Denn die eigentliche Näharbeit stellt im Textilfertigungsprozess den arbeitsintensivsten Teil dar, der deshalb dorthin verlagert wird, wo Arbeitskräfte am billigsten sind: in die Niedriglohnländer. In so genannten „Freien Produktionszonen“ (FPZ), auch „Free Trade Zones“, „Sonderwirt- schaftszonen“ oder „Exportproduktionszonen“ genannt, sind Fabriken zu- sammengeschlossen, die ausschließlich für den Weltmarkt produzieren. In Lateinamerika heißen solche Weltmarktfabriken Maquilas oder Maquilado- ras. Die Fabriken sind durch Tore gesichert und von bewaffneten Wächtern kontrolliert. Bekannte Markenfirmen lassen in FPZ nähen. Manche dieser Firmen besitzen gar keine eigenen Produktionsstätten. Laufend neue modi- sche Modelle können jeweils dem flexibelsten und günstigsten Hersteller als Auftrag übergeben werden. Das „Moderad“ lässt sich auf diese Weise problemlos unter besten Arbeitgeberbedingungen ankurbeln! Hinter der Idee zur Gründung von Maquiladoras verbirgt sich das Ziel, dort zu produzieren, wo nicht nur Arbeitskosten niedrig sind, sondern zudem noch weitere Vorteile locken. Nämlich da, wo Zollfreiheit herrscht, keine Kaum zu glauben 70 – 80% der Beschäftigten in der Textilherstellung sind Frauen – die meisten zwi- schen 14 und 25 Jahre alt. 5 10 15 20 25 30 35 M1 Näherinnen in einer Textilfabrik in Bangladesch 98 Maquiladoras – moderne Sklaverei Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=