weltweit 4, Geographie und Wirtschaftskunde, Schulbuch
Hunger durch Zockerei Es ist ein Riesengeschäft für Spekulanten – und eine Katastrophe für die Ärmsten. Anleger stürzen sich wegen schwächelnder Aktien auf Ag- rarrohstoffe. Bei schlechten Nachrichten explodieren die Preise für Weizen oder Mais, für Entwicklungsländer sind sie kaum noch zu bezahlen … Steigende Preise könnten das ohnehin dramatische Ernährungsproblem verschär- fen. Doch wie kommen sie eigentlich zustande? Ökonomen (Wirtschaftswis- senschaftler) kritisieren, dass sich die Preise für Agrarroh- stoffe längst vom realen An- gebot und der realen Nach- frage abgekoppelt haben. Seit der Finanzkrise suchen Abermilliarden von Dollar und Euro neue Anlageformen. Statt US-Immobilien sind nun Öl, Metalle und eben auch landwirtschaftliche Produkte gefragt. An Rohstoffbörsen wie in Chicago treiben Zocker die Preise in die Höhe – und verteuern so für Milliarden Menschen die Grundnah- rungsmittel. Dabei nutzen die Spekulanten einen ohnehin vorhandenen Trend aus. Denn … es gibt einen ganz realen Grund, der Agrarrohstoffe teurer macht: die weltweit steigende Nachfrage nach Fleisch und Biosprit. Schon heute wird die Hälfte der weltweiten Getreideernte an Schlachtvieh verfüttert. Aus: „We feed the World“ – Tag für Tag wird in Wien so viel Brot entsorgt, wie Graz verbraucht. – Vor allem in Lateinamerika baut man auf 350 000 ha Sojabohnen für die österreichische Viehwirtschaft an. Ein Viertel der einheimischen Bevöl- kerung in den Anbauländern hungert. – In Europa verbraucht man pro Kopf der Bevölkerung jährlich zehn kg künstlich bewässertes Treibhausgemüse aus Südspanien. Dort werden deshalb die Wasserreserven knapp. Vom Geschäft mit der Zukunft „Die Globalisierung hat auch uns Landwirte in Niederösterreich erreicht. Viele von uns werfen einen Blick auf die tägliche Getreidebörse. Ich möch- te für meine nächste Weizenernte einen guten Preis erzielen. Weil bis zum Erntezeitpunkt die Preise fallen können, mache ich an der Börse ein Warentermingeschäft: Ich biete meine Ware zum aktuellen Preis für einen späteren Liefertermin an. Ein Produzent, der ständig Weizen braucht, möchte Preissteigerungen und Engpässe vermeiden und sichert sich an der Börse im Voraus die Ware zu einem festen Preis an einem festge- setzten Termin.“ Vernichtung für die Globalisierung Sowohl Industrieländer als auch Entwicklungsländer kaufen ihre Nahrungsmittel auf dem Weltmarkt. Etwa ein Drittel der jährlich weltweit produzierten Nahrung geht verloren, landet im Müll oder wird anders entsorgt. In Österreich entspricht die Menge etwa 50 000 Lkw-Ladungen pro Jahr. Subventionen schaffen für die Landwirte Anreize zur Überpro- duktion. Die Nahrungsmittelüberschüsse werden vernichtet, um die Preise in den Erzeugerländern künstlich hoch zu halten. Auch im Einzelhandel werden Lebensmittel vernichtet, weil die Regale bis zum Ladenschluss immer gefüllt sein sollen. M4 Über Weizenkurse an der Börse für landwirtschaftliche Produkte in Wien M5 Frisch auf den Müll – die globale Lebensmittelverschwendung M6 Treibhauseffekt verschiedener Ernährungsweisen M7 M8 Rohstoffbörse in Chicago 91 4 Leben in der „Einen Welt“ – Globalisierung Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=