weltweit 3, Geographie und Wirtschaftskunde, Schulbuch
Extra nen gehen mit der Zeit verloren. Es gibt keine Bestandsaufnahme über den Bildungsstand von Asylwerbern, doch aus einer älteren Befragung im Raum Salzburg ging hervor, dass jeder fünfte über einen Hochschulabschluss ver- fügte … Die 22-jährige Linn aus Südchina wurde vor fünf Jahren an der Hand eines älteren Mannes, der mehrere gefälschte Pässe bei sich trug, von der öster- reichischen Polizei aufgegriffen. Das war ihre Rettung. Sie war 17 Jahre alt, als sie in den Westen kam, und sah nicht mehr als dunkle Kellerräume, in die man sie gesperrt hatte. Sie weiß nicht, in welchen Städten Europas sie war. Sie verstand weder die Sprache noch die Schrift. Seit fünf Jahren lebt sie im Integrationshaus, spricht fließend Deutsch, hat die Hauptschule beendet und eine einjährige Ausbildung als Heimhelferin absolviert. Mehrmals in der Woche geht sie in ein Altersheim und spricht mit einsamen Alten, begleitet sie zum Arzt, kauft für sie ein, spielt Schach mit ihnen und erzählt, wie es in China war. ‚Freilich nur die lustigen Ge- schichten‘, sagt Linn. Sie macht das unbezahlt, für ein kleines Entgelt hier und da. Sie könne das ganz gut, meint sie. Sie habe Respekt vor dem Alter. Ihre Sorgen kreisen um die Teuerung bei den Lebensmitteln, vor allem beim Reis. Fünf Euro am Tag hat sie für Lebensmittel zur Verfügung, und sie wür- de gern einmal Weihnachten bei der Familie ihrer besten Freundin in der Slowakei verbringen. Doch Asylwerber dürfen nicht außer Landes fahren. Sie sagt, sie fühle sich wie in einem Gefängnis. Selbst Hunde dürften rei- sen … Asylwerber dürfen sich niemals bei der Schwarzarbeit ertappen lassen. Räumen sie irgendwo einen Dachboden aus, werden sie beteuern, das aus Freundschaft zu machen. Haben sie das seltene Glück, für sechs Wochen beim Spargelstechen im Marchfeld oder auf Obstplantagen eingesetzt zu werden, verlieren sie einen Teil oder zur Gänze die Grundversorgung: Essensgeld und Taschengeld von 40 Euro im Monat …“ 1 Lies den Text genau durch und markiere Wörter bzw. Wort- gruppen, die einen Hinweis auf die persönliche Einstellung der Autorin zu dem Thema geben. 2 Recherchiere mithilfe des Internets, wie viele Asylwer- berinnen und Asylwerber in Österreich offiziell arbeiten. 3 Versetze dich in die Lage einer vom Asylrecht betrof- fenen Person. Verfasse einen Tagebucheintrag. Du bist dran 30 35 40 45 50 55 M2 Junge Flüchtlinge im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen 53 3 Österreichs vielfältige Bevölkerung Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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