Spielpläne Oberstufe, Schulbuch

354 z weiterführende interpretation Informieren Sie sich über die im folgenden Zitat von Willi Reich (Musikwissenschaftler und Schüler Alban Bergs) angesprochenen Werke von Bach, Brahms und Mahler. Nicht nur tragische äußere Umstände, sondern auch zwingende innermusikalische Gründe lassen das letzte Werk, das Berg vollendete, das Violinkonzert, als Bild des Abschieds erkennen. Mit der Einbeziehung des Chorals dringt es in neue, von Berg zuvor nicht betretene Formbereiche ein; zugleich fasst es, rückschauend, wesentliche Züge des gesamten vorausgehenden Werks in besonderer Einfachheit und Transparenz endgültig zusammen. Ähnlichen Sinnes mag J. S. Bach auf dem Sterbebett den Choral „Vor Deinen Thron tret’ ich hiermit diktiert“, Brahms sein letztes Orgelwerk, die Orgelfantasie über „O Welt, ich muss dich lassen“ geschrieben, Mahler im „Lied von der Erde“ Abschied genommen haben. Willi Reich, 1985 Hören Sie den Schluss des Violinkonzertes und versuchen Sie eine zusammenfassende Interpretation. Olivier Messiaen: „Mode de valeurs et d‘intensités“ (1949) Aufbruch zu neuen Ufern 1946, kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs, wurden in Darmstadt die „Internationalen Ferienkurse für Neue Musik“ (s. S. 349) ins Leben gerufen. Ihre Gründung entsprang dem Bedürfnis, die von den Nationalsozialisten unterdrückten internationalen musikalischen Entwicklungen nach Deutschland zurückzuholen. 1949 stellte der französische Komponist Olivier Messiaen hier vier „rhythmische Etüden“ vor. Die zweite Etüde mit dem Titel „Mode de valeurs et d‘intensités“ − „Modus der (Ton-)Werte und Intensitätsgrade“ – beeinflusste das kompositorische Schaffen vieler Komponisten nachhaltig. Umfassende Organisation des musikalischen Materials In seinem Werk überdenkt Messiaen die Reihenkomposition (s. S. 82 f.) neu und wendet die ordnende Funktion der Reihe nun auch auf die rhythmische Gestaltung an. Er verzichtet auf die traditionelle motivisch-thematische Arbeit, bei der die Organisation der Tonhöhen in Melodik und Harmonik das Hauptinteresse der Komponisten banden, und leitet den Blick gleichberechtigt auch auf die Parameter Rhythmik und Dynamik. Messiaen ordnet das Tonmaterial vor und nennt diese Organisation des Materials „Modus“. Im Gegensatz zu den dodekaphon komponierenden Musikern, die sich streng an die Reihen- folge der Töne in der Reihe zu halten hatten, nutzt Messiaen den freien Umgang mit der Reihenfolge der Töne. Der in „Mode de valeurs et d‘intensités“ verwendete Modus beinhaltet – in drei Ebenen ge- ordnet − 36 Tonhöhen, 24 Tondauern, 12 Anschlagsarten und 7 Intensitätsgrade (dynamische Zuordnungen). Außer den 36 Tonhöhen werden keine anderen Töne verwendet, und die Töne bleiben immer – entgegen den Regeln der Zwölftontechnik – in der gewählten Oktavlage fixiert. An jeden Ton ist die Auswahl einer Tondauer, einer Anschlagsart und eines Intensi- tätsgrades gebunden. Olivier Messiaen (1908–1992) Messiaen studierte u.a. Kompositi- on und Orgelimprovisation. 1931 übernahm er die Organistenstelle an der Pariser Kirche La Trinité, die er 60 Jahre lang innehatte. Von 1941 bis zu seinem 70. Lebensjahr lehrte er am Conservatoire de Paris. Messiaen erforschte Vogelstim- men, indische und griechische Rhythmen und fand über deren Prinzipien zu einer rhythmisch, tonal und klanglich eigenwilligen Tonsprache. Er gilt als Wegbe- reiter der Seriellen Musik und beeinflusste als Lehrer zahlreiche Schüler, darunter Pierre Boulez und Karlheinz Stockhausen. Seine eigenen Werke umfassen vorwiegend Orgel- und Instrumen- talmusik. V, 19 09 analyse entwicklungen – spektren – tendenzen: neue musik Nur zu Prüfzwecken b b – b b Eigentum des Verlags öbv b b

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