Spielpläne Oberstufe, Schulbuch

316 Merkmale, Formen und Gattungen der Musik Gegenüber der Musik des Barock und der Klassik erhielt bei allen Formen und Gattungen die Harmonik im 19. Jahrhundert eine besondere Bedeutung: Akkordwechsel und Modulationen folgen rascher aufeinander; der schnelle Übergang in entfernt verwandte Tonarten und en- harmonische Umdeutung ermöglichten harmonisch vieldeutige Wirkungen. Auch die häufigere Verwendung von Dissonanzen dokumentierte die Suche nach gesteigerter Expressivität; sie führte mehr und mehr zu einer Krise der auf der Kadenz beruhenden Harmonik: eine Entwick- lung, die sich in Wagners „Tristan-Akkord“ (s. S. 61) bereits andeutete und im Übergang zum 20. Jahrhundert z. B. bei Gustav Mahler, Max Reger und Arnold Schönberg ihre Fortsetzung findet. In Bezug auf die Motivik folgte man den in der Klassik erprobten Techniken oder verwendete Leitmotive, z. B. in Richard Wagners Musikdramen oder der Idée fixe bei Hector Berlioz. Sinfonie und Sonate bleiben als Errungenschaften der Wiener Klassik weiter lebendig und verbinden sich mit der Auffassung von einer absoluten Musik. Dabei entwickelt sich die Gat- tung Sinfonie (s. S. 293) zur Großform mit der Möglichkeit der symbolischen Darstellung der Fragen menschlicher Existenz in Tönen. Konzertouvertüre: Die aus der Oper entlehnte Ouvertüre entwickelt sich in der Romantik zur eigenständigen Form für den Konzertsaal (Felix Mendelssohn Bartholdy, Carl Maria von Weber, Robert Schumann). Inhalte sind Stimmungen und Seelenschilderungen. Sinfonische Dichtung: Das meist einsätzige, oft monothematische Werk für großes Orchester folgt dem romantischen Drang zum Erzählen (Roman). Die Neudeutsche Schule mit Franz Liszt als Wortführer sah in dieser Form, die Literatur und Musik verbindet, die Musik der Zukunft. Charakterstück (= Sammelbezeichnung für kurze lyrische Stücke – meist für Klavier): Das Charakterstück kommt dem gesteigerten Bedarf an Hausmusik und „Poesie am Klavier“ entgegen. Es wird oft in Sammlungen (z. B. Mendelssohn: „Lieder ohne Worte“, Schumann: „Kinderszenen“/„Album für die Jugend“) und unter verschiedenen Namen wie Impromptu, Novellette, Bagatelle, Ballade, Albumblatt u. a. komponiert und publiziert. Salonmusik (= Bezeichnung für leicht fassliche und spieltechnisch eher anspruchlose Stücke, oft Charakterstücke sentimentalen Inhalts): Der Begriff bezeichnet den Ort, in dem diese Stü- cke – auch als Hausmusik − zur Aufführung kamen. Nicht immer war Salonmusik anspruchslos, zumal auch Franz Liszt und Frédéric Chopin in Salons auftraten und ihre Werke vorstellten. Der Walzer entwickelte sich im 19. Jahrhundert zum beliebtesten Gesellschaftstanz, der ne- ben Tänzen wie Ländler, Galopp, Marsch, Mazurka, Quadrille und Polka, für Unterhaltung sorgte. Als Konzertwalzer (z. B. von Franz Schubert, Frédéric Chopin, Johannes Brahms) oder als sinfonischer Walzer (z. B. von Johann Strauss Sohn) fand er Eingang in den Konzertsaal. Tanzveranstaltungen und Bälle erfüllten eine wichtige gesellschaftliche Funktion: Es waren gesellige Zusammenkünfte, oft innerhalb einer bestimmten Gesellschaftsschicht (Kaiser- haus, Bürger, Akademiker, etc.), wo ungezwungen eine Eheanbahnung oder eine politische Entscheidung besprochen werden konnte („der Wiener Kongress tanzt“). Der Fasching war die Hochsaison der öffentlichen Tanzveranstaltungen, in dieser Zeit fanden die meisten Bälle statt. Wichtigster Tanzmusik-Produzent im 19. Jahrhundert war die „Firma“ Strauss: Johann Vater und seine Söhne Johann, Josef und Eduard mit ihren Musikkapellen und Kompositionen. Tanzmusik war auch ein Spiegelbild der Zeit ihrer Entstehung: Sie stellte mit ihrem Titel einen Bezug zu einem Ereignis oder einer Person her und war oft auch mit Musikzitaten (z. B. aus gerade populären Opern) versehen. Titelbezug und Anlass der Komposition waren eng miteinander verbunden, wie etwa bei Johann Strauss Vaters berühmtestem Werk, dem 08 basis epochen der musikgeschichte: im 19 . jahrhundert Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=