Spielpläne Oberstufe, Schulbuch

245 Das Studium der antiken Quellen verband sich jetzt mit einem wissenschaftlichen, auf das Diesseits gerichteten Interesse. An die Stelle duldender Gläubigkeit trat Wissensdurst, das Verlangen nach sicht- und nachvollziehbaren Tatsachen. Nikolaus Kopernikus (1473–1543) und Johannes Kepler (1571–1630) stellten mit ihren auf astronomischen Beobachtungen und Berechnungen beruhenden Theorien das geozentrische, auf Ptolemäus (100–175) fußende Weltbild der katholischen Kirche in Frage, und auch andere Gelehrte befreiten sich in einem langen Prozess aus der übermächtigen Kontrolle der Kirche. Menschenbild Der Mensch als selbstständig denkendes und handelndes Individuum findet sich im Bildungs- ideal des Humanismus wie auch in den neuen ästhetischen Anschauungen. Maler brauchten z. B. das exakte Wissen über die menschliche Anatomie, um den Menschen den neuen Maß- stäben entsprechend und an den antiken Vorbildern geschult darstellen zu können – Leo- nardo da Vinci untersuchte dazu eigenhändig Körper. Wissenschaftler und Künstler erlebten sich in einer bisher nicht gekannten geistigen Auto- nomie: Wenn der Maler Schönheiten sehen will, die imstande sind, ihn verliebt zu machen, ist er fähig, solche zu schaffen, und wenn er unheimliche Dinge sehen will, die ihn erschrecken, oder komische oder lächerliche oder wahrhaft mitleiderregende, so kann er dies als Herr und Gott tun. Und wenn er Landschaften und Wüsteneien, schattige oder dunkle Orte bei der Hitze schaffen will, dann stellt er sie dar, und ebenso warme Orte in kalter Jahreszeit. Wenn er Täler will, wenn er will, dass sich von den Gipfeln der hohen Berge aus das weite Land hinstreckt, und wenn er dahinter das Meer am Horizont sehen will, dann liegt all das in seiner Macht. Leonardo da Vinci : Beschreiben Sie das in den Zitaten von Petrarca (1452–1519) (s. S. 244) und da Vinci zum Ausdruck kommende Selbstverständnis und beziehen Sie es auf das in der Renaissance sich neu ausprägende Menschenbild. Die humanistischen Ideale wurden zur zentralen Geisteshaltung: Sie betrafen das Handeln zum Wohl jedes Einzelnen und der Gesellschaft, den Respekt vor der Würde jedes Menschen, die freie Entfaltung der schöpferischen Kräfte des Menschen und seine Bildung. Der allge- mein gebildete, lernwillige, kritisch hinterfragende Mensch – der „uomo universale“ –, wie er z. B. in Baldassare Castigliones Dialogschrift „Il Libro del Cortegiano“, dem „Buch vom Hofmann“ 1528 idealtypisch beschrieben wird, stand im Mittelpunkt des Weltbildes der Re- naissance. Zentren und Mäzene Aufgrund dieser Geisteshaltung lebte auch das (schon in der Antike bekannte) Mäzenaten- tum wieder auf: In Florenz förderten die Medici Maler, Bildhauer, Architekten, Poeten, Wis- senschaftler, Komponisten und Musiker – auch zur Repräsentation ihrer eigenen Macht und Bildung. In Mantua übernahm dies die Fürstenfamilie der Gonzaga, in Mailand die Familie der Sforza und in Ferrara, wo auch Carlo Gesualdo einige Jahre lebte und einen großen Teil seiner ausdrucksstarken Madrigale schrieb, die Fürstenfamilie der Este. Die großen Finanz- zentren wurden zum Mittelpunkt der Kultur. Auch das wohlhabende Patrizier-Bürgertum in den Städten trug dazu bei, besaß aber noch wenig politischen Einfluss. Dom Santa Maria del Fiore in Florenz mit der 1436 fertig gestell- ten freitragenden Kuppel von Brunelleschi (1377–1446) – Die im Stil der Isorhythmie komponierte Dombaumotette „Nuper rosarum flores“ von Guillaume Dufay, die zur Einweihung des Domes aufgeführt wurde, spiegelt die Proportionen des Bauwerks in ihrer Konzeption wider. 08 basis epochen der musikgeschichte: renaissance Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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