Spielpläne Oberstufe, Schulbuch

243 „Ma tre dol rosignol joly“ – ein Vogelruf-Virelai (um 1400) Dass Vogelrufe als Symbol der Liebeswerbung in der Lyrik Einzug fanden, beruht vielleicht auch auf der Beobachtung, dass sie der Werbung um das Weibchen gelten. Besonders sym- bolträchtig war die Nachtigall mit ihrem sehnsüchtig klingenden Gesang in der Abenddäm- merung. Die Lerche wird als Symbol des Morgens gesehen. Virelai (auch chançon balladé genannt) ist die Bezeichnung für eine frühe poetische Form. Das Wort setzt sich zusammen aus frz. virer = sich wenden, sich drehen und lai = Lied mit un- mittelbar wiederholten Strophen (aa bb cc) . Das Virelai enthält zusätzlich den klar erkennba- ren Refrain. Es handelt sich dabei um eine sehr subtile Kunstform der höfischen Gesellschaft des franko-flämischen Kulturkreises. z zugang zur musikpraxis Hören Sie die Komposition. Halten Sie Ihre ersten Eindrücke fest. Untersuchen Sie den Text in seiner Struktur (Reimschemata, Strophenbildung). Welche Inhalte kommen im Tenor gegenüber Cantus und Triplum (s. S. 241) zur Sprache? z fragen Formulieren Sie Fragen zur Vertonung des Textes auf der Grundlage Ihrer bisherigen Informationen. Singen oder spielen Sie den Tenor. Die Notation zeigt die Original-Handschrift (Faksimile), darunter eine der möglichen Übertragungen. z am notentext Untersuchen Sie die Struktur der Komposition in Bezug auf Experimentierfreudigkeit und Ausdrucksgestaltung. Verfolgen Sie zunächst den Tenor, dann nach und nach die anderen Stimmen. Beschreiben Sie die einzelnen Stimmen (melodisch-rhythmische Eigenheiten) und deren Zusammenspiel. Wo ergeben sich auch in der Vertonung Anklänge an Vogelrufe? Mit welchen kompositori- schen Mitteln werden sie plastisch gemacht? z zusammenführung Der besondere Effekt des Virelais entsteht durch die Überlagerung der Stimmen und Texte mit ihren verschiedenen Bedeutungsebenen. Versuchen Sie die Gesamtaussage der Komposition darzustellen. III, 45 d9548x Textblatt Virelai III, 45 d7h8gt Noten Virelai Das klangliche Fundament, welches sich auf die Intervalle Quinte und Oktave als die Grundpfeiler der Komposition stützt, und das rhythmische Ordnungssystem der Mensuren der Ars nova blieben im Grunde unan- getastet. Aber der Umgang mit ihnen ist höchst eigenwillig und experimen- tell, was sich hauptsächlich im Bereich der Rhythmik äußert. Bernhard Morbach 08 analyse epochen der musikgeschichte: mittelalter Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=