Spielpläne Oberstufe, Schulbuch

236 ZEITLEISTE Aus der Geschichte der Notation Zum Verständnis des Komponierens Der gregorianische Choral wurde nicht als Musik, sondern als gesungenes Gebet verstanden – dieses war Basis und Rechtfertigung aller weiteren Gestaltung im Bereich geistlicher Musik. Auf seiner Grundlage bauten die (meist anonymen) Komponisten weiter und verstanden ihr Handwerk wörtlich als componere (lat. = zusammensetzen). War eine Choralmelodie in einem Organum bereits zum zweistimmigen Satz erweitert worden, so konnte man später an eine Erweiterung zur Dreistimmigkeit denken. Wichtig war dabei die theoretische Rechtfertigung: dass jede Stimme für sich gewisse festgeschriebene Regeln bezüglich des korrekten Abstan- des zum Cantus firmus (s. S. 249) einhielt. Man orientierte sich also an Intervallberechnungen und nicht an der Praxis des Hörens. So führte das Hinzufügen der dritten Stimme auch nicht immer zu Wohlklang, insbesondere nicht nach heutigem Maßstab. Nur langsam änderten die Theoretiker ihre Meinung darüber, welche Intervalle als konsonant und welche als dissonant aufzufassen seien. Erst zu Beginn des 15. Jahrhunderts wurde die Terz zum wichtigsten Bauele- ment der Mehrstimmigkeit. Volksmusikalische Praktiken, z. B. die Technik des cantus gemellus (engl. Gymel , von lat. gemelli = Zwillinge), ein Singen in Terzen, dürften die Anerkennung eines neuen, dreiklangsbezogenen Harmonieverständnisses entscheidend gefördert haben. Nur langsam setzten sich die Errungenschaften des mehrstimmigen Gesangs an verschiede- nen Orten durch, hauptsächlich von Frankreich und Oberitalien ausgehend, jenen Regionen, in denen Anfang des 12. Jahrhunderts die ersten Universitäten Europas gegründet worden waren, Paris und Bologna. In einer Gesellschaft, in der Kommunikation und Austausch − ver- glichen mit heute − unendlich langsam erfolgten, existierten während des gesamten Mittel- alters die verschiedensten Entwicklungsstufen oft lange parallel nebeneinander. Bis heute verwendete Quadratnotation im Graduale Romanum, der offiziellen Sammlung gregorianischer Messgesänge. Beginnende Fixierung der Tonhöhen und der Zeit- dauern, die noch mittels rhythmischer Grundmuster (Modi) dargestellt werden und damit noch auf Verabredung beruhen. Die eckige Form der Noten- köpfe entstand durch das Aufsetzen der breiten Schreibfeder. Neumen (griech. = Wink, Gebärde, Handzeichen): Erinnerungshilfen für Handzeichen des Kantors bzw. für den Melodieverlauf. Die rhythmische Ausführung wird vom Sprachrhythmus bestimmt. In der Neumenschrift gibt es große regionale Unterschiede. Notation der Tonhöhen auf Linien im Terzab- stand. Buchstaben am Beginn weisen auf die absolute Tonhöhe hin. „Musik vergeht, sofern sie nicht vom Gedächtnis festgehalten wird, denn aufschreiben kann man sie nicht.“ Isidor von Sevilla (560–636) „Ad te levavi“, St. Gallen, 1. Hälfte 10. Jh. Neumennotation des Mönchs Guido von Arezzo 9. Jh. 10./11. Jh. 12. Jh. 08 basis epochen der musikgeschichte: mittelalter Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verl gs öbv

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