Spielpläne Oberstufe, Schulbuch

171 2) Aufnahme mit Kurt Equiluz/Leitung Nicolaus Harnoncourt (1970) In den 1970er-Jahren wurden die Aufführungen der „Matthäus-Passion“ durch Harnoncourt (*1929) und sein Ensemble Concentus Musicus als Sensation empfunden. › Hören Sie die Aufnahme und ziehen Sie einen ersten Vergleich mit der Interpretation durch Willem Mengelberg. 3) Aufnahme mit Ian Bostridge/Leitung Philippe Herreweghe (1999) Im Jahr 1999 führte der Belgier Herreweghe (*1947), der inzwischen als ein herausragen- der Spezialist für die Aufführung von barocker Musik gilt, die „Matthäus-Passion“ mit dem Collegium Vocale Gent auf. Das Orchester umfasste genau so viele Mitglieder wie das von Harnoncourt dirigierte Ensemble. › Hören Sie die Aufnahme und charakterisieren Sie sie entsprechend Ihrer bisherigen Erfahrungen. z zusammenführung › Vergleichen Sie alle drei Aufnahmen in einer tabellarischen Übersicht. Berücksichtigen Sie dabei Instrumentation, Tempo, Arrangement, Ausdruck. Stellen Sie Unterschiede und Gemeinsamkeiten heraus. z weiterführende interpretation Ästhetische Positionen In der Rezeptionsgeschichte der „Matthäus-Passion“ finden sich immer wie- der Stationen, an denen die Interpreten sich bewusst mit der Geschichte des Werkes auseinandersetzten und daraus Konsequenzen für ihre Arbeit zogen. 1950 wurde im Rahmen des Bachfestes zu Bachs 200-jährigem Todestag begeistert über die Verwendung von originalen Barockinstrumen- ten nachgedacht, die zum Teil aber eher schlecht als recht gespielt wurden. Dagegen polemisierte der Musiksoziologe Theodor W. Adorno. Diskutieren Sie, was Adorno mit dem ersten Satz gemeint hat. Welche Konsequenzen könnten aus der Kritik Adornos für die Wiedergabe von (barocker) Musik gezogen werden? Arbeiten Sie heraus, wie Harnoncourt seine Forderung nach Ignorieren der romantischen Tradition in seiner Aufnahme umgesetzt hat. Diskutieren Sie Begründungen, Möglichkeiten und Grenzen für „authentische Interpreta- tion“ sowie evtl. Gründe, sich dagegen zu entscheiden. Nie und an keiner Stelle ist der musikali- sche Notentext mit dem Werk identisch; stets vielmehr gefordert, in der Treue zum Text zugleich zu ergreifen, was er in sich verbirgt. Bar solcher Dialektik wird die Treue zum Verrat: die Interpretation, die sich um den musikalischen Sinn nicht kümmert, […] verfehlt ihn. Theodor W. Adorno Zu keiner Zeit hat man sich mit mehr Verantwortungsbewusstsein um das künstlerische Vermächtnis der Vergangenheit bemüht als heute. Man will nicht mehr die Interpretationen vergangener Jahrzehnte, die alten Bearbeitungen (Bach–Busoni, Bach–Reger, Stokowski und viele andere) interpretieren, weil man die zweifache Deutung – durch den Bearbeiter und den musi- zierenden Künstler – nicht für notwendig hält. […] Es muss eine Interpretation versucht werden, bei der die gesamte romantische Aufführungstradition ignoriert wird. Nicolaus Harnoncourt III, 14 III, 15 05 analyse aufführungspraxis Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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