Begegnungen mit der Natur 8, Schulbuch

Lösen gv-Pflanzen das Hungerproblem auf der Welt? Gegnerinnen und Gegner des Gentechnikeinsatzes in der Landwirtschaft ver­ treten die Meinung, dass auch ohne Gentechnik die Ernährung der Weltbevöl­ kerung gesichert wäre, wenn die Lebensmittel gerechter verteilt würden und die Menschen in den Ländern, in denen Unterernährung und Hunger regieren, Zugang zu Land, Wasser und Saatgut, zu lokalen Märkten, einfachen Techno­ logien, Bildung und Kenntnissen über nachhaltige Landwirtschaft bekämen. In den EU-Staaten stellt sich heute das Problem der Überproduktion von Le­ bensmitteln . Es ergibt sich die Frage, ob es wirklich notwendig ist, genetisch veränderte Organismen, mit dem Ziel der Qualitätssteigerung durch Erhöhung des Gehaltes an essenziellen Amino- und Fettsäuren oder Vitaminen, freizuset­ zen. Aber auch die Zulassung solcher gv-Pflanzen in den Entwicklungsländern ist umstritten. Vielerorts wird der kommerzielle Anbau von„Golden Rice“ abgelehnt, da nicht gesichert ist, ob und wie lange er gelagert werden kann, ohne dass es dabei zu einem Verlust an Carotinoiden kommt. Außerdem ist noch unklar, wie der Reis optimal zubereitet werden muss, damit das Carotin im Darm resorbiert werden kann. Weiters wird kritisiert, dass die derzeit zugelassenen gv-Pflanzen fast ausschließ­ lich in der Futtermittelindustrie , zur Gewinnung von Biotreibstoffen und in der Bekleidungsindustrie (Baumwolle) verwendet werden und somit ohnehin keinen Beitrag zur Bekämpfung des Welthungers leisten. gv-Pflanzen weisen nicht nur erwünschte Eigenschaften auf Gentechnisch veränderte Pflanzen können auch neue unerwartete, unerwünsch­ te Eigenschaften aufweisen. So gab es beispielsweise bei gentechnisch gegen Unkrautvernichtungsmittel widerstandsfähig gemachten Baumwollpflanzen in Mississippi große Ernteeinbußen, da die Pflanzen vor der Ernte die Fruchtkapseln abwarfen. gv-Pflanzen lassen sich nicht kontrollieren Bei Rückkreuzungsversuchen von unkrautvernichtungsmittelresistentem Raps mit Wild-Kohl wurde beobachtet, dass bereits nach zwei Rückkreuzungen 40% der Nachkommen gegen Unkrautvernichtungsmittel resistent waren. Durch Ver­ breitung der Pollen durch den Wind beziehungsweise durch Bestäuber könnte das Erbmaterial der gv-Pflanzen inWildkräuter oder herkömmliche Nutzpflanzen eingekreuzt werden. Zudem ist, wie bereits Fälle aus der Vergangenheit aufzeigen, eine strenge Trennung zwischen Saatgut von gv-Pflanzen und herkömmlichen nicht gewähr­ leistet. So wurde beispielsweise im August 2006 die EU-Kommission davon in Kenntnis gesetzt, dass mit gv-Reis verunreinigter Langkornreis illegal aus den USA in der EU auf den Markt gekommen sei. Um zu verhindern, dass der weltweit weder für den menschlichen Verzehr noch für den Anbau zugelassene Reis mit der Bezeichnung LL601 weiter bei uns in Umlauf kommt, verfügte die Kommis­ sion, dass US-Langkornreis ab sofort nur mehr nach vorheriger Kontrolle durch ein anerkanntes Labor importiert werden darf. Der von einem weltweit bekann­ ten Unternehmen (bzw. von Vorläufern des heutigen Agrounternehmens) ent­ wickelte Reis weist eine Resistenz gegen ein ebenfalls von diesem Konzern her­ gestelltesTotalherbizid (wirkt gegen Unkräuter aller Art) auf. ZuVersuchszwecken wurde er zwischen 1999 und 2001 in den USA angebaut. Es ist unklar, wie es zum Eintrag des genmanipulierten Reises kommen konnte. Es liegt die Vermutung nahe, dass er in einem Züchtungsinstitut unbeabsichtigt mit herkömmlichem Saatgut vermischt worden sein könnte. Ernährung der Weltbevölkerung Der Schweizer Soziologe und Globalisie­ rungsgegner Jean Ziegler (geb. 1934) ver­ tritt die Meinung, dass mit den weltweit produzierten Nahrungsmitteln zwölf Milliarden Menschen ernährt werden könnten. Überproduktion von Lebensmitteln Mehr als ein Drittel der in den Industrie­ ländern produzierten Lebensmittel landet im Müll. Während weltweit knapp eine Milliarde Menschen an chronischer Unterernährung leiden, sind 1,5 Milliarden übergewichtig. Futtermittelindustrie/Biotreibstoffe Um den steigenden Fleischbedarf in den Industrieländern decken zu können, wer­ den Tiere in Massentierhaltung gezüch­ tet, was große Futtermittelmengen erfor­ dert. Der größte Sojaexporteur der Welt, von dem auch der Großteil des in die EU importierten Sojas stammt, ist Brasilien (ein Viertel der brasilianischen Bevölke­ rung leidet an Hunger!). Gleichzeitig werden in Europa Pflanzen zur Energie­ versorgung (Herstellung von Biosprit, Vergärung in Biogasanlagen) angebaut. 45  Baumwollpflanze 46  Rapsfeld 93 Gentechnik – pro und kontra Arbeitsheft Seite 29 M Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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