Begegnungen mit der Natur 8, Schulbuch
Pharmakogenomik, Nutrigenomik und Chip-Diagnostik Ziel des Human-Genom-Projekts (siehe Seite 48) war die Entschlüsselung des menschlichen Erbguts, um damit einen neuen Zugang zum Verständnis von Krankheiten sowie neue Wege der Diagnostik und der Therapie finden zu können. Seit April 2003 ist zwar die Sequenz der menschlichen Erbsubstanz (die Abfolge der Basenpaare) bekannt, jedoch noch nicht die Bedeutung aller Gene. Aus diesem Grund gibt es laufend Projekte, in denen weiter geforscht wird. Eine Erkenntnis, die Genomforscherinnen und -forscher gewonnen haben, ist die, dass der größte Teil des Erbmaterials bei allen Menschen gleich ist. An be- stimmten Stellen treten jedoch Unterschiede, so genannte Polymorphismen , auf. Da diese jeweils nur auf dem Austausch einer einzigen Base beruhen (Punkt- mutationen; siehe Seite 39), werden sie als Einzel-Nukleotid-Polymorphismen ( SNPs ) bezeichnet. Sie sind die Ursache dafür, dass Gene in zwei oder mehreren Varianten (Allelen) vorkommen und wir uns damit in vielen Merkmalen indivi duell voneinander unterscheiden (Augenfarbe, Haarfarbe, Körpergröße …). Sie sind unter anderem aber auch für verschiedene Krankheiten (zB die Sichelzel- lenanämie, siehe Seite 40), Krankheitsanfälligkeiten und die Empfänglichkeit für Medikamente verantwortlich. Polymorphismen Die DNA eines Menschen unterscheidet sich nur zu 0,1% (das entspricht etwa 3 Millionen Basen) von einem anderen. SNPs (sprich Snips; S ingle N ucleotide P oly morphisms) sind Punktmutationen, die in der menschlichen Bevölkerung mit einer Häufigkeit von mindestens einem Prozent auftauchen. Je nach Lage (im Bereich der Introns, Exons oder eines Promotors) kön- nen sie die Proteinstruktur des codierten Eiweißes, die Genaktivität und das Splei- ßen beeinflussen oder aber auch bedeu- tungslos bleiben. SNPs kommen in allen Lebewesen und auch in Viren vor. So sind sie beispielsweise für die Medikamenten- resistenz mancher Bakterienarten verant- wortlich. Das HIV ist deshalb so schwer zu bekämpfen, weil es eine sehr hohe Muta- tionsfrequenz in den SNPs aufweist. „Medikamente für alle” Es werden nur Medikamente zugelassen, die bei möglichst vielen Menschen wirken, deren Wirkung nicht zu sehr schwankt und die nur selten, bei möglichst wenigen Menschen, Nebenwirkungen verursachen. 38 Genetische Diversität aufgrund der SNPs Die Pharmakogenomik beschäftigt sich mit dem Einfluss der Gene auf dieWirkung von Medikamenten Schon seit langer Zeit ist bekannt, dass nicht jedes Medikament bei jedem Menschen die gleiche Wirkung hat. So kommt es vor, dass die Einnahme eines Medikaments bei manchen Menschen zur gewünschtenWirkung führt, während sie bei anderen Personen wirkungslos bleibt beziehungsweise unerwünschte oder sogar tödliche Nebenwirkungen auftreten. Ein Beispiel dafür ist der Wirkstoff Albuterol, der bei asthmakranken Menschen zur Weitung der Bronchien eingesetzt wird. Er wirkt sehr gut bei Patientinnen bzw. Patienten, die im Rezeptor für Albuterol an einer bestimmten Stelle die Aminosäure Arginin tragen. Bei einem bestimmten SNP allerdings wird Glycin statt Arginin eingebaut, was zur Folge hat, dass Albuterol vom Rezeptor nicht gebunden werden kann und das Medikament somit wirkungslos bleibt. Die pharmazeutische Industrie entwickelt heute in erster Linie noch „ Medika- mente für alle “. Derzeitiges Ziel des Forschungszweiges Pharmakogenomik ist die Herstellung von Medikamenten, die, in Abhängigkeit von den SNPs, auf Personengruppen zugeschnitten sind. Ein Beispiel hierfür ist Herceptin, ein monoklonaler Antikörper, der sich an Antigene auf der Oberfläche der Tumor zellen (HER-2/neu) bindet und so das Tumorwachstum hemmt (siehe Seite 66). Eine Zukunftsvision ist die „individualisierte Arzneimitteltherapie“, bei der jede Patientin bzw. jeder Patient das auf ihre bzw. seine Gene abgestimmte Medika- ment erhält. Selbst aktiv! 1. SNPs sind Punktmutationen, aber nicht alle Punktmutationen sind SNPs. Prüfe diese Aussage auf ihre Richtigkeit. 2. Trotz strenger Hygienemaß- nahmen in den Spitälern kommt es vor, dass sich Patientinnen und Patienten mit so genannten Krankenhauskeimen, die sich nur schwer bekämpfen lassen, infizie- ren. Finde Ursachen dafür. 39 Das DNA-Molekül 1 unterscheidet sich aufgrund einer Punktmutation von Molekül 2 in einem einzigen Basenpaar DNA-Molekül 1 DNA-Molekül 2 SNP 70 Humangenetik Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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