Begegnungen mit der Natur 8, Schulbuch

Bioethikkommission Die Bioethik beschäftigt sich damit, was moralisch richtig oder falsch ist, betreffend den Umgang des Menschen mit dem Leben, der Natur sowie medizinischen und biotechnischen Anwendungen. Fortpflanzungsmedizin-Gesetz seit 1. Juli 1992 in Österreich in Kraft (Novellierung 2001 und 2004), und verankert die rechtlichen Grundlagen der medizinisch unterstützten Fortpflanzung Polkörperdiagnostik Durch Meiose entstehen aus einer diploiden Urgeschlechtszelle vier haploide Geschlechtszellen (siehe Begeg- nungen mit der Natur, Band 6). Während die dabei entstehenden Spermien einan- der gleichwertig sind, bildet sich im weib- lichen Geschlecht nur eine große Eizelle. Die restlichen Zellen, die so genannten Polkörperchen (siehe Abb. 19 und 20), sind viel kleiner und werden abgebaut. Aus den Ergebnissen einer Untersuchung der Polkörperchen lassen sich Rück- schlüsse auf die genetische Gesundheit der Eizelle schließen. § 9. (1) Entwicklungsfähige Zellen dürfen nicht für andere Zwecke als für medizinisch unterstützte Fort- pflanzungen verwendet werden. Sie dürfen nur insoweit untersucht und behandelt werden, als dies nach dem Stand der medizini- schen Wissenschaft und Erfahrung zur Herbeiführung einer Schwan- gerschaft erforderlich ist. Gleiches gilt für Samen oder Eizellen, die für medizinisch unterstützte Fort- pflanzungen verwendet werden sollen. 18  Auszug aus dem FmedG (Quelle: Bundeskanzleramt, Rechts­ informationssystem des Bundes RIS; online verfügbar über http://www.ris.bka.gv.at [Stand 18.11.2014]) 19  Polkörperchen an einer Eizelle Polkörperchen Bioethik Im Herbst 2001 wurde der Fall einer Engländerin bekannt, deren vierjähriger Sohn an Leukämie erkrankt war. Der Bub wurde erfolgreich behandelt, allerdings be- stand ein Rückfallsrisiko von 25 % – nur eine Knochenmarktransplantation würde dann noch helfen. Um für diesen Fall Vorsorge zu treffen, entschloss sich die Mutter des Vierjährigen, ein weiteres Kind, einen möglichen Knochenmarkspender, zur Welt zu bringen: Die Befruchtung erfolgte in vitro. Durch Präimplantationsdiagnos- tik wurde ein passender Embryo (möglicher Knochenmarkspender) für den Trans- fer ausgewählt. Diese Geschichte, die durch die Medien ging, warf die Frage auf, ob es moralisch und ethisch vertretbar sei, durch PID ausgewählte Spenderge- schwister in dieWelt zu setzen. Die Bioethikkommission berät den Bundeskanzler Im Juni 2001 wurde im Bundeskanzleramt die Österreichische Bioethikkommis­ sion bestellt. Sie hat die Aufgabe, den Bundeskanzler in allen gesellschaftlichen, naturwissenschaftlichen und rechtlichen Fragen, die sich mit der Entwicklung der Wissenschaften auf dem Gebiet der Humanmedizin und Humanbiologie ergeben, aus ethischer Sicht zu beraten. Nach dem FmedG ist die PID nicht erlaubt Im Fortpflanzungsmedizingesetz (FmedG) ist derzeit (Stand November 2014) noch keine ausdrückliche Regelung über die Zulässigkeit der PID zu finden. § 9 Abs. 1 gibt aktuell nur indirekt Auskunft darüber (siehe Abb. 18). Die Mehrheit der Mitglieder der Bioehtikkommission hat sich in einer Stellung­ nahme von Juli 2012 für die beschränkte Zulassung der PID ausgesprochen: Nicht erlaubt soll die PID zum Zweck der Auslese von gewünschten Merkmalen (zB Geschlecht) sein. Die Kommission befürwortet allerdings die Durchführung der PID bei Paaren, die ein hohes Risiko aufweisen, ein Kind mit einer schweren genetisch bedingten Krankheit zu bekommen. In einem aktuellen Entwurf soll das FmedG nun dahingehend überarbeitet werden, dass in eng definierten Ausnah- mefällen eine PID zulässig ist, wenn konkreter Zweifel an der Lebensfähigkeit des Embryos herrscht bzw. ein hohes Risiko besteht, dass das Kind schwerste Schädi- gungen aufweist. Die Polkörperdiagnostik ist eine Sonderform der PID Eine Alternative zur PID stellt die Polkörperdiagnostik (PKD) dar. Da es sich bei den Polkörperchen weder um entwicklungsfähige Zellen noch um Geschlechts­ zellen handelt, ist die ethische Akzeptanz der PKD höher als die der PID und der pränatalen Diagnose. In Österreich ist sie nach herrschender Rechtsauffassung mit dem FMedG vereinbar und damit im Gegensatz zur PID uneingeschränkt erlaubt. Die PKD ist allerdings eine sehr aufwändige, zeit- und kostenintensive Untersu- chungsmethode, weshalb sie, besonders in Ländern, in denen die PID zugelassen ist, selten praktiziert wird. Zudem hat sie den Nachteil, dass sich die Untersuchun- gen nur auf das mütterliche Erbgut beschränken. Ebenso können genetische Defekte, die möglicherweise erst im Embryonalstadium auftreten, damit nicht er- fasst werden. Im Juli 2005 kam es in Österreich zur ersten Schwangerschaft nach einer PKD. Die PKD dient in erster Linie dem Nachweis einer Genommutation Nach Gewinnung der drei Polkörperchen werden die darin befindlichen Chromo- somen mit einer speziellen Methode (Array-CGH; siehe Seite 71) untersucht. Ist jedes von ihnen mit 23 Chromosomen ausgestattet, lässt sich daraus der Schluss ziehen, dass auch die Eizelle einen normalen Chromosomensatz aufweist. Mittels PKD können aber auch Translokationen (siehe Seite 38) nachgewiesen werden. 58 Humangenetik Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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