Begegnungen mit der Natur 8, Schulbuch
phylogenetische Stammbäume bildliche Darstellung der mutmaßlichen Verwandtschaftsbeziehungen zwischen Organismengruppen im Laufe der Evolu- tion Stammbaum der Pferde Die ältesten, heute bekannten Vorfahren unserer heutigen Pferde lebten vor unge- fähr 60 Millionen Jahren. Das Gebiss der etwa fuchsgroßen Waldbewohner deutet darauf hin, dass sie sich von Laub und Früchten ernährten (Backenzähne besit- zen Höcker, zwischen denen keine harte Nahrung zerrieben werden konnte). Die Vorderbeine dieser Urpferde waren mit vier, die Hinterbeine mit drei behuften Zehen ausgestattet. Durch Spreizen der Zehen wurde ein tiefes Einsinken in den weichen Waldboden verhindert. Eine Klimaänderung von feuchtwarm nach kalt und trocken bewirkte auch eine Ver- änderung der Vegetation, riesige Gras länder entstanden. Diejenigen Tiere, die die geeignetste Kombination von Eigen- schaften aufwiesen, um mit dieser verän- derten Umwelt fertig zu werden, setzten sich nun durch (natürliche Selektion): Die Pferde entwickelten sich zu Gras fressen- den (harte Schmelzfalten der Backenzähne wirken wie eine Raspel), schnell laufen- den, einhufigen Steppenbewohnern. Die Umbildung der Beine zu einzehigen Lauf- beinen erfolgte als Anpassung an die neue Lebensweise. Die Evolution vom Ur- pferd ( Hyracotherium ) bis zum modernen Pferd ( Equus ) erscheint hier zielgerichtet. Schließt man allerdings alle heute be- kannten fossilen Pferde ein, lässt sich er- kennen, dass die Gattung Equus einfach nur der einzige überlebende Trieb eines reich verzweigten Stammbaumes ist, der eher einem Strauch ähnelt. Cytochrom c ist ein Elektronen übertragendes Protein der Zellatmung und kommt praktisch in allen Lebewesen vor Aufstellen von phylogenetischen Stammbäumen Die stammesgeschichtliche Entwicklung von Lebewesen lässt sich durch Hinweise aus den verschiedensten naturwissenschaftlichen Disziplinen (zB Paläontologie, Verhaltensforschung, Molekularbiologie) in phylogenetischen Stammbäumen aufzeigen. So ist zB der Stammbaum der Pferde heute durch umfangreiche Fos silienfunde gut belegt. Konrad Lorenz erstellte Stammbäume aufgrund von Ver haltensmustern (siehe Seite 114). Moderne Stammbäume basieren auf dem Ver- gleich von DNA-Basen- oder Aminosäuresequenzen. Ein Beispiel für so einen molekularbiologischen Stammbaum ist der Cytochrom c-Stammbaum. Cytochrom c-Analysen liefern Daten für Stammbäume Das Cytochromc der Säuger unterscheidet sich von demder Vögel durch 12 Amino- säuren. Ihre letzten gemeinsamen Vorfahren lebten vor 280 Millionen Jahren. Daraus lässt sich schließen, dass durchschnittlich alle 23 Millionen Jahre eine Mutation, die zum Austausch einer Aminosäure führte, stattfand. Zwischen dem Cytochrom c der Säuger und der Amphibien gibt es 17 Unterschie- de in der Aminosäuresequenz. Ihre gemeinsame Abstammungslinie endete vor rund 400 Millionen Jahren. Errechnet man den Mittelwert kommt man auch hier, gerundet, auf etwa 23 Millionen Jahre. Das Tempo evolutionärer Änderungen (im Beispiel die Änderung der Aminosäuresequenz) wird als Evolutionsrate bezeich- net. Für Cytochrom c beträgt sie rund 23 Mio Jahre pro veränderter Aminosäure. In Abb. 59 ist ein stark vereinfachter Cytochromc-Stammbaumder Lebewesen dar- gestellt. Die Verzweigungspunkte symbolisieren den letzten gemeinsamen Vor fahren, die Zahlen geben an, durch wie viele Aminosäuren sich die Cytochrom moleküle (von Punkt zu Punkt) unterscheiden. Selbst aktiv! 1. Überlege. Warum dient die Anzahl der unterschiedlichen Aminosäuren zB im Cytochrom c als so genannte „mole kulare Uhr“ und welcher Zusammenhang besteht zwischen der Zahl der abweichenden Aminosäuren zweier Organis- mengruppen und ihres Verwandtschaftsgrades? 2. Seymouria , vermutlich die Übergangsform zwischen Amphibien und Reptilien, lebte vor etwa 280 Millionen Jahren. Durch wie viele Aminosäuren unterscheidet sich wahrscheinlich demnach das Cytochrom c der heute lebenden Reptilien von dem von Seymouria ? 3. Ermittle mit Hilfe Abb. 59 wann sich ungefähr die Pflanzen- von der Tierlinie getrennt hat. 59 Cytochromc-Stammbaum; für die Zahl der veränderten Aminosäuren sind alle Zahlen auf demWeg von einem zum anderen Lebewesen zu summieren. Ente Schildkröte Tunfisch Fliege Frosch Ur-Cytochrom c Brotschimmel Bäckerhefe Mensch Affe Huhn Pinguin Hefe ( Candida ) Motte Känguru Weizen Wal Schwein Hund Pferd 1 1 5 5 7 1 3 4 2 1 2 11 15 10 20 34 25 13 17 14 3 3,5 5,5 5 8 Selbst aktiv! Suche im Internet nach einem Stammbaum der Pferde und inter- pretiere ihn. Arbeitsheft Seite 38 M 116 Evolution Nur zu Prüfzw cken – Eigentum des Verlags öbv
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