Begegnungen mit der Natur 8, Schulbuch
Rudimente sind funktionslos gewordene Merkmale Betrachtet man das Skelett des Pferdebeins (siehe Abb. 48), erkennt man eine stark ausgebildete Mittelzehe. Links und rechts des dritten Mittelfußknochens liegt je ein dünner, schwacher Knochen (Griffelbeine). Die Griffelbeine sind dem zweiten und dem vierten Mittelfußknochen anderer Wirbeltiere homolog. Da sie offensichtlich für die Fortbewegung des Pferdes nicht notwendig sind, wurden sie zurückgebildet. Der Grund für die Rudimentation funktionslos gewordener Organe liegt darin, dass sie nicht mehr der Selektion unterliegen. Dadurch werden diese Organe betreffende, schädliche Mutationen nicht mehr ausgelesen. Sie sammeln sich an und führen allmählich zu einer Verkümmerung der entsprechenden Organe. Wir bezeichnen solche, durch Funktionsverlust oder Funktionsänderung infolge Änderungen der Lebensweise, rückgebildete Organe, als rudimentäre Organe oder Rudimente . Rudimentation Rückbilden eines Merkmals (zB Organ) rudimentum (lat. ) = Rest Rudimente Der Wurmfortsatz des Menschen ist ein zurückgebildeter (verkümmerter) Blind- darm, das Steißbein das Rudiment einer ehemaligen Schwanzwirbelsäule. Weitere Beispiele für Rudimentation sind die Reste eines Schultergürtels bei den Blindschleichen, ein rudimentärer Beckengürtel beimWal, Flügelreste bei flugunfähigen Vögeln (zB Kiwi) und rudimentäre Augen bei Höhlentieren (zB Grottenolm). Rudimentäre Organe bei Pflanzen sind beispielsweise die Schuppen (Laubblattrudimente) der Sommerwurz. Atavismus atavus (lat.) = Urahn Ein Atavismus ist das Wiederauftreten eines Merkmals, das im Laufe der Evolution verloren ging Selten, aber doch, kommt es vor, dass ein Pferd eine zweite oder sogar dritte behufte Zehe aufweist – ein Merkmal, das an die fünfstrahlige Wirbeltierextre mität erinnert. Ein urtümliches Merkmal tritt hier also wieder in Erscheinung. In Frühstadien der Entwicklung lässt sich bei menschlichen Embryonen eine Schwanzwirbelsäule erkennen. Sie bildet sich jedoch im fortschreitendenWachs- tum zum Steißbein zurück. Ebenso werden embryonal Kiemen angelegt. Sehr selten, aber doch, kommen Säuglinge mit Kiemen oder Schwanzwirbelsäule zur Welt. Das Wiederauftreten eines Merkmals der Vorfahren, das den unmittelbar vorher- gehenden Generationen fehlt, wird als Atavismus bezeichnet. Gegenüber der gängigen Meinung, wonach Atavismen auf das Tätigwerden von lange Zeit inaktiven, aber funktionstüchtig gebliebenen Genen zurückzuführen sind, vertritt der österreichische Genetiker Markus Hengstschläger (siehe Seite 83) die Auffassung, dass hier mutierte Gene durch Rückmutationen ihre frühere Funktion wieder erlangen und dadurch evolutionär verschwundene Merkmale wieder in Erscheinung treten. Selbst aktiv! Recherchiere. Was ist Hypertrichosis? a b c 48 Pferdebein 49 Kiwi 51 Sommerwurz mit Laubblattrudimenten Fußwurzelknochen Zehen- knochen Griffelbein Mittelfußknochen Arbeitsheft Seite 35, 38 M 50 Blinddarmmit Appendix beim Kaninchen (a) und beimMenschen (b = embryonal, c = erwachsen) Blinddarm Appendix Dünndarm Dünndarm Dünndarm Blinddarm Appendix 113 Belege für die Evolution der Lebewesen Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=