Begegnungen mit der Natur 8, Schulbuch
▶ Populationsgenetik Ein Teilbereich der Genetik, die Populationsgenetik , beschäftigt sich mit der Ausbreitung der Gene in Populationen. Godfrey Hardy und Wilhelm Weinberg berechneten und formulierten 1908 dazu die Regel vom populationsgenetischen Gleichgewicht, die besagt, dass es durch Rekombination zu keiner Änderung der Genhäufigkeiten in einer Population kommt. Diese Regel gilt jedoch nur für Ideal- populationen . Da Idealpopulationen in der Natur nicht vorkommen, treten unter natürlichen Bedingungen Veränderungen im Genpool auf. Veränderungen im Genpool (Voraussetzung für Evolution!) treten in der Natur auf, wenn plötzliche Verände rungen in Chromosomen oder Genen stattfinden (Mutationen), wenn durch Selektion die Fortpflanzungsrate und die Überlebenswahrscheinlichkeit verschie- dener Genotypen unterschiedlich beeinflusst werden, wenn durch Krankheiten (Seuchen), Unwetter etc. eine Gruppe bestimmter Merkmalsträger plötzlich aus- stirbt und sich der überlebende Teil mit etwas unterschiedlichem Genotypus aus- breitet ( Gendrift ), durch Isolation und letztlich durch Migration von Individuen. Populationsgenetik untersucht Vererbungsvorgänge inner- halb biologischer Populationen; Teil der Forschungen sind ua. die Ermittlung der relativen Häufigkeiten bestimmter Allele in Populationen und die Beobachtung der Veränderung unter dem Einfluss von Mutation und Selektion sowie Erforschung des Genflusses zwischen Populationen Godfrey Hardy (1877–1947); britischer Mathematiker WilhelmWeinberg (1862 –1937); deutscher Arzt Idealpopulationen Darunter versteht man Populationen, in denen keine Mutationen auftreten, es keine Zu- oder Abwanderung von Individuen gibt, die Zahl der Individuen so groß ist, dass Tod und Geburt einzelner Individuen praktisch keine Änderung in der Häufigkeit der Gene bewirken, sich alle Individuen beliebig paaren können und kein Genotyp gegenüber einem anderen einen Selektionsvorteil hat. Gendrift zufällige Veränderung der Häufigkeit eines bestimmten Allels bzw. mehrerer bestimmter Allele in einer Population; je kleiner eine Population ist, desto wirksamer ist die Gendrift Migration Ein- oder Abwandern von Lebewesen August Weisman (1834–1914), deutscher Mediziner Weisman-Doktrin Diese besagt, dass es zwei Arten von Zellen gibt: Die Körperzellen und das Keimplasma (darunter verstandWeismann das Erbmaterial). Alle Veränderungen der Organismen spielen sich bereits im Keim- plasma ab (durch Rekombination und Mutation), das sich schon sehr früh vom übrigen Gewebe getrennt entwickelt. Umwelteinflüsse auf den Körper und des- sen Anpassungen können deshalb keine Folgen für die Nachkommen haben. Neodarwinismus Verbindung der Darwin‘schen Evolutions- theorie (Variabilität als Grundlage der Selektion) mit der Genetik Synthetische Evolutionstheorie vereint Erkenntnisse der Genetik, Populationsbiologie, Paläontologie, Zoologie, Botanik und Systematik Allelfrequenz gibt an, mit welcher Häufigkeit ein be- stimmtes Allel in einer Population auftritt 25 Gendrift in einer Kaninchenpopulation (Schema) Die Synthetische Theorie der Evolution Charles Darwin zitierte in seinen Aufzeichnungen zwar Gregor Mendel, von den Gesetzen der Vererbung dürfte er jedoch nichts gewusst haben. Erst August Weismann , der die Lamarck’sche Vererbung erworbener Eigenschaften für un- wahrscheinlich hielt, gab Darwins Evolutionstheorie mit der Weisman-Doktrin Ende des 19. Jahrhunderts eine genetische Grundlage ( Neodarwinismus ). Nach der Synthetischen Evolutionstheorie finden evolutive Veränderungen auf der Populationsebene statt Etwa ab den 1940er Jahren wurde die Darwin’sche Theorie mit den Erkenntnissen verschiedener Wissensgebiete, insbesondere der Populationsgenetik, nach und nach zur Synthetischen Evolutionstheorie erweitert. Sie wird heute von den meistenWissenschafterinnen undWissenschaftern anerkannt. Während nach Darwin und Lamarck das Evolutionsgeschehen auf der Ebene des Individuums beziehungsweise einer Art stattfindet, ist nach der Synthetischen Theorie Evolution dieVeränderung von Allelfrequenzen . Die SynthetischeTheorie betrachtet also den Genpool einer Population und untersucht die Ursachen, die zu einer Veränderung dieses Genpools führen. Die wichtigsten Faktoren, die auf eine Population einwirken, sind Variabilität durch Mutation und Rekombination, natürliche Selektion, Gendrift, Isolation und Migration. Arbeitsheft Seite 33, 35 M Kaninchenpopulation vor einem Hochwasser: 30 weiße Kaninchen, 20 schwarze Kaninchen Kaninchenpopulation nach einem Hochwasser: 15 weiße Kaninchen, 5 schwarze Kaninchen 60% 40% 75% 25% 107 Populationsgenetik Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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