Zeitbilder 4, Schulbuch

93 „Sanfte“ Revolutionen in (Süd-)Osteuropa Polen Hier führte der jahrelange gewaltlose Kampf der freien Gewerkschaft Solidarnošć und der  katholischen Kirche zum Ende der kommunistischen Diktatur im Jahr 1989 (siehe S. 85). Ungarn Hier herrschte schon seit den 1960-er Jahren ein so genannter „Gulaschkommunismus“ – mit kleinen Freiheiten für die Menschen und im Wirtschaftsleben. Seit 1987 waren auch  nichtkommunistische Gruppen politisch tätig. Sie einigten sich mit den Reformkommunisten auf die Einführung eines Mehrparteiensystems. Ungarn erhielt 1990 eine neue Verfassung unter einer nichtkommunistischen Regierung. „Staatsfeind“ wird Staatspräsident In der Tschechoslowakei unterstützten nach dem Einmarsch der Warschauer-Pakt-Truppen (1968) auch Künstlerinnen und Künstler den Widerstand gegen die kommunistische Regierung. Der Schriftsteller Vaclav Havel* gründete im Jahr 1977 die Bürgerrechtsbewegung* „Charta 77“. Sie forderte  die Einhaltung der Menschenrechte im Land. Havel wurde mehrmals  verhaftet. Im Jahr 1989 führten Massendemonstrationen und ein Generalstreik zum Rücktritt der Regierung und zu Neuwahlen. Der frühere „Staatsfeind“ Havel wurde zum Staatspräsidenten gewählt. 1993 zerfiel  die Tschechoslowakei in zwei selbstständige Saaten: Tschechien und Slowakei. Bulgarien Hier gab es 1990 erste freie Wahlen. Die ehemaligen Kommunisten konnten danach noch einige Jahre lang eine Koalitionsregierung anführen. Gewaltsame Revolution in Rumänien In Rumänien herrschte seit 1965 unumschränkt Diktator Nikolai Ceausescu*. Seine Gewaltherrschaft und die trostlose Wirtschaftslage führten 1989 auch in diesem Land zum  Umsturz. Er verlief jedoch sehr blutig: Bei den Demonstrationen gegen die Gewaltherrschaft und den Straßenkämpfen zwischen der Geheimpolizei und Teilen der Armee wurden etwa 1000 Menschen getötet. Schließlich wurden der Diktator und seine Frau gefangengenommen und von Offizieren hingerichtet. Die Folgen der „Wende“ NATO- und EU-Beitritt  In allen ehemals kommunistischen Ländern  (Süd-)Osteuropas gibt es seit der politischen „Wende“ ein Mehrparteien- system nach „westlichem“ Muster. Zwischen 1999 und 2004 traten alle hier genannten Länder sowie die baltischen Staaten der NATO bei. Seit  2004 bzw. 2007 sind alle diese Staaten auch Mitglieder der EU. Wirtschaftsaufschwung und Wirtschaftskrisen Die Entwicklung dieser „Reformstaaten“ verlief durchaus unterschiedlich. Mit dem Beitritt zur EU waren zumeist ein starker Wirtschaftsaufschwung, aber auch -krisen verbunden. Für viele Menschen bedeutete dies auch eine persönliche wirtschaftliche Besserstellung. Doch nicht alle Menschen profitieren  davon. Etliche Menschen wurden vom kapitalistischen Wirtschaftssystem enttäuscht: Die Umgestaltung der Wirtschaft machte sie arbeitslos. Die Preise für Grundnahrungsmittel und Wohnungen stiegen erheblich an, viele soziale Leistungen des Staates (Gratis-Kindergarten, Schule,  Krankenbehandlung) wurden abgeschafft. Lenin auf dem Weg zum Schrottplatz: Unmittelbar nach der „Wende“ verschwanden die Symbole der kommunistischen Herrschaft. (Fotografie, 1991) Du bist dran • Fasse das Ende der Volksdemokratien mit eigenen Worten zusammen. • Informiert euch in Klein- gruppen über die derzeitige politische und wirtschaftliche Entwicklung dieser ehemaligen „Reform- staaten“. Du bist dran • Beurteile die Rolle, die Michail Gorbatschows Reformpolitik für die genannten Staaten spielte. Weltpolitik nach 1945 – Viele Welten in einer Welt Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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