Zeitbilder 4, Schulbuch

60 Irena Sendler kurz vor ihrem Tod im Mai 2007 (Fotografie, 2007) Die „Weiße Rose“: Hans Scholl, Sophie Scholl und Christoph Probst waren führ- ende Mitglieder der Widerstandsgruppe. (Fotografie, 1942) Inge Scholl berichtet über ihre Geschwister Q An einem sonnigen Donnerstag, es war der 18. Februar 1943, war die Arbeit so weit gediehen, dass Hans und Sophie, ehe sie zur Universität gingen, noch einen Koffer mit Flugblättern füllen konnten. Sie waren beide vergnügt und guten Mutes, ehe sie sich mit dem Koffer auf den Weg zur Universität machten. Kaum hatten die Geschwister die Wohnung verlassen, klingelte ein Freund an ihrer Tür, der ihnen eine dringende Warnung überbringen sollte. Da er aber nirgends erfahren konnte, wohin die beiden gegangen waren, wartete er. Mittlerweile hatten die beiden die Universität erreicht. Und da in wenigen Minuten die Hörsäle sich öffnen sollten, legten sie rasch entschlossen die Flugblätter in den Gängen aus und leerten den Rest ihres Koffers vom obersten Stock in die Eingangshalle der Universität hinab. Erleichtert wollten sie die Universität verlassen. Aber die Augen des Hausmeisters hatten sie erspäht. Alle Türen der Universität wurden sofort geschlossen. Damit war das Schicksal der beiden besiegelt. Die rasch alarmierte Gestapo brachte meine Geschwister in das Gefängnis. Und nun begannen die Verhöre. Tage und Nächte, Stunden um Stunden. Abgeschnitten von der Welt, ohne Verbindung mit Freunden und im Ungewissen, ob einer von ihnen ebenfalls ihr Schicksal teilte. Alle, die in jenen Tagen noch mit ihnen in Berührung kamen, die Mitgefangenen, die Gefängnisgeistlichen, die Gefangenenwärter, ja selbst die Gestapobeamten waren von ihrer Tapferkeit aufs Höchste betroffen. Der Scharfrichter sagte, so habe er noch niemanden sterben sehen. Hans, ehe er sein Haupt auf den Block legte, rief laut, dass es durch das große Gefängnis hallte: „Es lebe die Freiheit!“ (I. Scholl, Die Weiße Rose) Widerstandskämpfer – Verräter oder Vorbilder? Im nationalsozialistischen Deutschland galten die Frauen und Männer, die Widerstand gegen die Diktatur leisteten, als Verbrecher und Hochverräter, „Volksschädlinge“ und „Wehrkraftzersetzer“. Heute sieht man in ihnen gewissenstreue und mutige Menschen, die ihr Leben für Freiheit und Menschlichkeit aufs Spiel setzten oder sogar opferten. Arten des Widerstands Es waren einfache Arbeiterinnen und Arbeiter, die Flugblattaktionen organisierten, Geistliche, die sich in ihren Predigten gegen die Unmenschlichkeit der Nationalsozialisten wandten. Viele Menschen gewährten Jüdinnen und Juden Unterschlupf oder verhalfen ihnen zur Flucht, wie zB Irena Sendler, die rund 2500 Kinder aus dem Warschauer Getto in Sicherheit brachte und ihnen neue Identitäten und ein neues Zuhause verschaffte. Führende Persönlichkeiten der verbotenen Parteien sammelten Widerstandsgruppen um sich. Soldaten und Offiziere weigerten sich Befehle auszuführen, um den sinnlosen Krieg zu beenden. Es wurden sogar Attentate auf Hitler durchgeführt. Aber all das waren Einzelaktionen, die wirkungslos blieben und die Beteiligten oft das Leben kosteten. Sie waren umgeben von zu vielen fanatischen Nationalsozialisten, von zu vielen, die sich von der gigantischen Propagandamaschinerie blenden ließen; sie mussten gegen einen perfekt organisierten Terrorapparat ankämpfen. Die „Weiße Rose“ Geschwister Scholl Um die Geschwister Sophie und Hans Scholl bildete sich in München eine Widerstandsgruppe mit dem Namen „Weiße Rose“. Ihre Mitglieder verteilten Flugblätter, um vor allem die Jugend gegen ihren „Verführer“ zu bewegen. Im Februar 1943 wurden sie hingerichtet. Widerstand gegen den Nationalsozialismus Nur zu Prüfzwecken – Eigentum d s Verlags öbv

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