Zeitbilder 4, Schulbuch
58 Ein unfassbares Verbrechen Holocaust – Shoa Das griechische Wort „holocauston“ bedeutete ursprünglich ein Brandopfer von Tieren. Heute ist „Holocaust“ die internationale Bezeichnung für die Vernichtung der europäischen Jüdinnen und Juden durch Gas und Feuer im Herrschaftsbereich der Nationalsozialisten. Immer öfter wird für dieses Verbrechen auch der Begriff „Shoa“ verwendet. Dieses hebräische Wort bedeutet großes Unheil, Katastrophe. Massenmord und Verschleppung Ab 1939 verschlecht- erte sich die Situation der jüdischen Bevölkerung dramatisch. In den eroberten Ostgebieten bildete die SS Sonderkommandos, die den Befehl hatten, hinter der Front Jüdinnen und Juden, Roma und Sinti sowie die kommunistische Führungsschicht zu töten. Die Zahl der Ermordeten wird auf zwei Millionen Menschen geschätzt. Jüdische Frauen und Kinder vor den Viehwaggons, in denen sie in die Vernichtungslager verschleppt wurden, hier bei ihrer Ankunft im Vernichtungslager Auschwitz. Die Deutsche Reichsbahn legte der SS genaue Rechnungen und machte mit den Transporten ein gutes Geschäft. (Fotografie, undatiert) Die lange Geschichte des Antisemitismus Der Begriff „Antisemitismus“ entstand im 19. Jahrhundert und bezeichnet den Hass oder die Feindschaft einzelner Menschen oder ganzer Völker gegenüber Juden. Antisemitismus beinhaltet religiöse, wirtschaftliche und/oder auch rassistische Vorurteile. Schon im Altertum gab es Antisemitismus. Nach Aufständen im 2. und 1. Jh. n. Chr. vertrieben die Römer die Juden aus Palästina. Von da an lebten sie im Römischen Reich weit verstreut als religiöse Minderheit. Da sie an ihrem Glauben, ihren Sitten und Bräuchen festhielten und sich nicht mit anderen Völkern vermischten, waren sie Außenseiter der Gesellschaft. Ab dem 4. Jahrhundert beschuldigte man die Juden als Christusmörder. Sie wurden von den öffentlichen Ämtern ausgeschlossen; Ehen zwischen Juden und christlichen Frauen waren verboten. Im Mittelalter durften die Juden weder Grund und Boden erwerben noch ein Handwerk erlernen. Christen hingegen war es verboten, Geld gegen Zinsen zu verleihen. Aus diesen Gründen wurden viele Juden Händler oder Geldverleiher. So kam es, dass viele Christen bei Juden Schulden hatten. Ihr wirtschaftlicher Erfolg weckte Neidgefühle, zu denen die alten religiösen Vorurteile und Anschuldigungen aller Art hinzukamen. Man stempelte sie zu Sündenböcken, wenn es Naturkatastrophen, Missernten oder Seuchen gab; sie wurden als Mörder kleiner Kinder, Hostienschänder und Brunnenvergifter verleumdet und verfolgt. Immer wieder kam es zur Vertreibung und Ausrottung von Judengemeinden – mit den Juden verschwanden auch die Schulden. Als 1348 die Pest Europa verheerte, wurde das als Strafe Gottes dargestellt, weil Juden und Christen zusammenlebten. Seitdem mussten Juden in gesonderten Stadtteilen, den Gettos, leben und waren gezwungen, sich durch besondere Kleidung (Judenhut) kenntlich zu machen. Zu Beginn der Neuzeit beschäftigten sich viele Humanisten mit der hebräischen Sprache und der Geschichte der Juden. Damit verbunden war auch eine gewisse Toleranz, die sich jedoch auf die gebildeten Schichten beschränkte. Erst die Aufklärung schuf in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Voraussetzungen für eine Besserstellung der Juden. In Österreich erließ Kaiser Joseph II. 1781 das Toleranzpatent, das den Juden gestattete, ein Hand- werk zu erlernen, und das den Gettozwang aufhob. Im 19. Jahrhundert glichen sich viele Juden der christlichen Umwelt an und erlangten als Unternehmer und Bankiers wirtschaftlichen, als Wissenschafter, Schriftsteller und Künstler gesellschaftlichen Einfluss. Der Antisemitismus nahm wieder zu. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts bekam vor allem in Deutschland und auch Österreich der Antisemitismus einen neuen Charakter: Er wurde „rassisch“ begründet. Die Juden wurden als „minderwertige Rasse“ hingestellt, die sich in einer Art Weltverschwörung den Kampf gegen die höherwertige „arische Rasse“ zum Ziel gesetzt hätte. „Ob Jud, ob Christ ist einerlei, in der Rasse liegt die Schweinerei“ – war die Primitivformel des Rassenantisemitismus. Darauf bauten die Nationalsozialisten später auf, als sie die Ermordung der Juden planten und durchführten. Vom Antisemitismus zum Holocaust Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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