Zeitbilder 4, Schulbuch
35 Februarkämpfe Gekämpft wurde vor allem in Wien um die Gemeinde- bauten, in den Industriegebieten der Obersteiermark und in Linz. Die Regierung setzte dabei ihre gesamte Macht ein: Polizei, Bundesheer (mit Artillerie*) und Heimwehr. Nach wenigen Tagen war der ungleiche Kampf, der mehr als 300 Tote und viele Verwundete forderte, beendet. Die siegreiche Regierung ließ die Anführer des Schutzbundes hinrichten. Die Sozialdemokratische Arbeiterpartei wurde verboten und ihre Führer, die nicht rechtzeitig ins Ausland hatten fliehen können, kamen ins Gefängnis. Der austrofaschistische Ständestaat Die Regierung Dollfuß Durch die „Maiverfassung“, die Dollfuß 1934 verkündete, wurde Österreich zu einem autoritär* regierten Staat nach dem Vorbild des italienischen Faschismus. Alle Parteien wurden aufgelöst. Als einzige politische Organisation war die „Vaterländische Front“ zugelassen; ihr Bundesführer war Dollfuß. Vertreter der Berufsstände, also aller Personen, die den gleichen Beruf ausübten, sollten die Regierung, bei der die gesamte Macht lag, beraten. Diese Vertretungen nahmen ihre Arbeit jedoch nie auf. Regiert wurde bis zum Ende der Ersten Republik autoritär durch Verordnungen der Regierung. Das Ende der Ersten Republik Juli-Putsch* Die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei war in Österreich bereits 1933 verboten worden. Ihre Anhänger flohen vor den Verhaftungen entweder nach Deutschland oder bekämpften aus dem Untergrund mit Flugblättern und Sprengstoffanschlägen die Regierung. Im Juli 1934 wagten sie einen Umsturzversuch: Als Bundesheersoldaten getarnt drangen Nationalsozialisten in das Bundeskanzleramt ein und ermordeten Bundeskanzler Dollfuß. Dieser Juli-Putsch schlug aber fehl. Seine Anführer wurden verhaftet und hingerichtet. Noch wagte es Hitler nicht, direkt einzugreifen, da Mussolini (noch) hinter Österreich stand und zu dessen Schutz Militär am Brenner aufmarschieren ließ. „Achse Berlin-Rom“ Dies änderte sich, als Italien 1935 Abessinien* angriff, um es als Kolonie zu gewinnen. Die Westmächte verurteilten dieses Verhalten. Um nicht isoliert zu sein, verständigte sich Mussolini mit Hitler und entzog Österreich seine Unterstützung. Österreich stand nun unter Bundeskanzler Kurt Schuschnigg* allein gegen den immer stärker werdenden Anschlussdruck Hitlers. Berchtesgaden Im Februar 1938 lud Hitler den österreichischen Bundeskanzler zu einer Besprechung nach Berchtesgaden. Dort zwang er Schuschnigg mit militärischen Drohungen, dem Nationalsozialisten Seyß-Inquart* das Innenministerium und damit die Polizeigewalt zu übertragen. Die nationalsozialistische Propaganda konnte sich so frei entfalten. In dieser aussichtslosen Situation unternahm Schuschnigg noch einen Rettungsversuch und kündigte eine Volksbefragung über ein unabhängiges Österreich an. Hitler tobte und erzwang den Rücktritt Schuschniggs und die Ernennung von Seyß-Inquart zum Bundeskanzler. Dennoch befahl Hitler den Einmarsch deutscher Truppen in Österreich am 12. März 1938. Drei Tage später verkündete er auf dem Wiener Heldenplatz vor etwa 200000 begeisterten Österreicherinnen und Österreichern „den Eintritt meiner Heimat in das Deutsche Reich“. Das Krukenkreuz war das Symbol der „Erneuerung“ Österreichs im Sinne des Austrofaschismus. (Propagandaplakat, undatiert) Hitler zu Schuschnigg in Berchtesgaden Q Ich sage Ihnen, ich werde die ganze so genannte österreichische Frage lösen, und zwar so oder so. (...) Wer weiß, vielleicht bin ich über Nacht einmal in Wien, wie der Frühlingssturm! Dann sollen Sie etwas erleben. (...) Glauben Sie nur nicht, dass mich irgendjemand in der Welt in meinen Entschlüssen hindern wird! Mit Mussolini bin ich im Reinen, ich bin mit Italien aufs Engste befreundet. England? England wird keinen Finger rühren. (M. Jochum, Die Erste Republik in Dokumenten und Bildern) Du bist dran • Diskutiert, inwiefern die innenpolitischen Verhält- nisse in Österreich zum Untergang der Republik zwischen 1932 und 1938 beigetrugen. • Beurteilt die Rolle, die Mussolini spielte. Österreich I – Die Erste Republik Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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