Zeitbilder 4, Schulbuch

30 Ist das kleine Österreich lebensfähig? Schweres Erbe Der Friedensvertrag von Saint Germain bestimmte, dass der Kleinstaat Österreich die Verpflichtungen der österreichisch- ungarischen Monarchie übernehmen musste. Dazu gehörten neben den Staatsschulden auch die Reparationsforderungen* der Siegermächte. Niemand wusste, wie das zu schaffen sei, da die österreichische Wirtschaft mit den größten Schwierigkeiten kämpfte: Viele Industriebetriebe und die reichen Kohlevorkommen lagen nun in einem anderen Staat – der Tschechoslowakei; die ergiebigen Agrargebiete befanden sich in Ungarn. Die Bevölkerung hungerte, der Schwarzhandel* blühte, Industrie und Verkehr standen durch den Kohlemangel still, die Arbeitslosigkeit und die Inflation* waren enorm. So war Österreich in dieser Zeit weitgehend auf die Hilfe des Auslandes angewiesen. Dies alles ließ die Menschen an der Lebensfähigkeit Österreichs zweifeln. Sehr viele wünschten sich deshalb den Anschluss an das große Deutschland. Sozialgesetze verbessern die Arbeitswelt In dieser schwierigen Zeit nach dem Ersten Weltkrieg ging die Koalitionsregierung unter Karl Renner zunächst daran, die Lage der Arbeiterinnen und Arbeiter und Angestellten zu verbessern. Während des Krieges kam es auf diesem Gebiet sogar zu Verschlechterungen. Nun wurde in den Jahren 1919/20 eine Reihe von Sozialgesetzen beschlossen, die Österreich zu einem der fortschrittlichsten Sozialstaaten Europas machten. Die Inflation verhindert den wirtschaftlichen Aufschwung Kriegsinflation Schon während des Krieges wurden Lebensmittel und viele andere Güter immer knapper und deshalb teurer. Zwar wurden auch die Löhne ständig erhöht, sie konnten aber mit dem Preisanstieg nicht Schritt halten. Dazu kam, dass der Staat seine Ausgaben durch eine vermehrte Geldausgabe finanzierte. Die Folge davon war, dass sich die „Inflationsspirale“ immer schneller drehte. Hyperinflation Nach Kriegsende verstärkte sich diese Entwicklung. Schließlich stiegen die Preise täglich und manchmal sogar stündlich. Die Löhne der Arbeiterinnen und Arbeiter wurden nicht mehr wöchentlich, sondern täglich ausbezahlt. An den Fabrikstoren warteten dann schon Angehörige, um mit dem Geld sofort einkaufen zu gehen – am nächsten Tag konnte es schon nur mehr einen Bruchteil wert sein. Hungerdemonstrationen Diese Kaufkraftvernichtung und die niedrigen Einkommen ließen den Konsum immer weiter zurückgehen. Es kam zu Hungerdemonstrationen und Plünderungen. In dieser Situation waren auch die Unternehmer nicht gewillt, in ihre Betriebe zu investieren, um die Produktion zu steigern. Im Jahr 1925 löste der Schilling die Krone ab Für 10000 Kronen bekam man einen Schilling. Der Schilling blieb (mit der Unterbrechung 1938–1945) die Währung in Österreich, bis er 2002 durch den Euro abgelöst wurde. Arbeitslose Sozialgesetze aus den Jahren 1919 und 1920: - Invalidenentschädigung - Verbot von Kinderarbeit - Verbot der Nachtarbeit von Frauen - Betriebsräte bekommen Mitsprache - Urlaub für Arbeiterinnen und Arbeiter - 8-stündiger Normalarbeitstag - staatliche Arbeitslosenunterstützung Du bist dran • Diskutiere mit deiner Banknachbarin oder deinem Banknachbarn über diese Gesetze. Unterstreicht die drei eurer Meinung nach wichtigsten davon. • Begründet in einer Klassendiskussion eure Wahl. Wirtschaftliche Probleme und ihre Folgen Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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