Zeitbilder 4, Schulbuch

142 Österreich – eine „Insel der Seligen“? Ein reiches Land In einer Unterredung mit dem österreichischen Bundespräsidenten Franz Jonas* sagte Papst Paul VI.* im Jahr 1971: „Sie leben auf einer Insel der Seligen. Die sozialen Verhältnisse und der innere Frieden können vorbildlich für die ganze Welt sein.“ Tatsächlich entwickelte sich Österreich seit der Zwischenkriegszeit vom „Armenhaus in Europa“ zu einem der wohlhabendsten und sozialsten Länder der Welt. Wohlstand für viele Für die meisten Familien in Österreich ist es heute selbstverständlich, dass sie einen Kühlschrank, eine Waschmaschine, einen Fernseher und elektronische Geräte wie Handy oder Computer, genügend Wohnraum und auch ein Auto besitzen. Viele Menschen können sich Urlaubsreisen leisten. Für die meisten Jugendlichen ist es normal, regelmäßig Taschengeld zu bekommen. Der Ausbau des Sozialstaates ASVG Ein umfangreiches Sozialversicherungsgesetz trat bereits 1956 in Kraft. Die seit damals jährlich reformierte Kranken-, Unfall-, Pensions- und Arbeitslosenversicherung bietet nahezu allen Österreicherinnen und Österreichern einen umfangreichen sozialen Schutz. Zahlreiche neue Sozialleistungen In der Ära Kreisky wurden eingeführt: das Gratisschulbuch und die Schülerfreifahrt, die Geburten- und Heiratsbeihilfe (später abgeschafft); die Studiengebühren für Hochschülerinnen und Hochschüler wurde abgeschafft. Seit 2013 werden sie von manchen Universitäten eigenständig eingehoben. Verbesserungen im Arbeitsrecht 1974 wurde die betriebliche Mitbestimmung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (Betriebsräte) wesentlich verstärkt, ein Jahr später die 40-Stunden-Woche eingeführt. Heute arbeiten sehr viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nur noch 38,5 Stunden. Auch der jährliche Urlaubsanspruch stieg von zwei Wochen im Jahr 1965 auf mindestens fünf Wochen (seit 1986). Seit 1990 können Frauen (und auch Männer) nach einer Geburt ein zweites Karenzjahr in Anspruch nehmen. Erst 1993 wurde das Pflegegeld für pflegebedürftige Personen eingeführt. 1820 50 75 1900 20 32 41 50 60 70 82 90 Die Verkürzung der Arbeitszeit Wochenarbeitszeit der Arbeitnehmer in Stunden 82 65 68 60 57 42 50 48 45 42 40 38,5 40-Stunden-Woche 38,5-Stunden-Woche 1920: 8-Stunden-Tag gesetzlich eingeführt 1900: Gewerkschaften erreichen 10-Stunden-Tag Weltwirtschaftskrise ab 1950: Übergang zur 5-Tage-Woche Arbeitszeitverkürzung Du bist dran • Stelle die Unterschiede dar, die sich durch die Familienrechtsreform ergaben. • Wie bewertet ihr das (frühere) Züchtigungsrecht der Eltern (wie zB die „g'sunde Watsch'n“)? Familienrecht im Vergleich – aus einem Lehrbuch für Handelsakademien, 1973 Q Der gesetzliche Vertreter ehelicher Kinder ist der eheliche Vater. (...) Während der Vater in erster Linie für den Unterhalt zu sorgen hat, ist es hauptsächlich Aufgabe der Mutter, sich der Pflege des Körpers und der Gesundheit anzunehmen (...). Den Eltern steht ein für die Gesundheit unschädliches Züchtigungsrecht zu. In der Fassung von 1979 Gesetzliche Vertreter für ihre minderjährigen Kinder sind die Eltern (...). Die Eltern haben das körperliche Wohl ihrer minderjährigen Kinder zu wahren, sie zu beaufsichtigen und zu erziehen (...). Die Eltern sollen in Pflege und Erziehung einvernehmlich vorgehen. Österreichs Weg zum modernen Staat Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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