Zeitbilder 4, Schulbuch

140 Die Zeit der ÖVP- und SPÖ-Alleinregierungen – die Ära* Kreisky ÖVP-Alleinregierung 1966 errang die ÖVP zum zweiten Mal nach 1945 die absolute Mehrheit bei Nationalratswahlen (also mehr Mandate als alle anderen Parteien zusammen). Josef Klaus* bildete daraufhin eine ÖVP-Alleinregierung. Die SPÖ ging in Opposition, war also erstmals seit 1945 nicht mehr in der Regierung vertreten. SPÖ-Alleinregierungen Die politische Lage änderte sich jedoch bereits durch die Wahlen 1970 und 1971: Die SPÖ erreichte zuerst die relative, dann die absolute Mehrheit. Eine SPÖ-Alleinregierung unter Bruno Kreisky* folgte: bis 1971 als Minderheitsregierung (sie verfügte über keine Mehrheit im Nationalrat), danach bis 1983 als Alleinregierung mit absoluter Mehrheit. Nun war die ÖVP in der Opposition. Wandel zur „linken Volkspartei“ Unter Kreisky wandelte sich die SPÖ von einer „reinen Arbeiterpartei“ zu einer „linken Volkspartei“: Er konnte auch bürgerliche und liberale Wählerinnen und Wähler für seine Politik gewinnen. Außerdem wurde die alte Gegnerschaft zwischen katholischer Kirche und SPÖ begraben. „Jeder religiöse Mensch kann auch Sozialist sein,“ hieß es – das brachte Stimmen. Vielfältige Reformen Kreisky bezeichnete die „Demokratisierung aller Lebensbereiche“ als sein politisches Ziel. Tatsächlich vollzog sich während seiner langen Amtszeit als Bundeskanzler ein bedeutender politischer und gesellschaftlicher Wandel: Neben Änderungen im Familien-, Straf-, Arbeits- und Sozialrecht (siehe S. 142 f.) brachte es: • die Reform der Schulen und Universitäten; • das Gleichbehandlungsgesetz: gleicher Lohn für Männer und Frauen bei gleicher Arbeit; • die Einführung der Volksanwaltschaft und des Konsumentenschutzes. Außenpolitik Kreisky genoss auch international großes Ansehen. Während des Kalten Krieges bemühte er sich um die Verbesserung der Ost-West-Beziehungen. Sein besonderer Einsatz galt einem Frieden im Nahen Osten zwischen Israel und den arabischen Staaten. „Lieber Schulden als Arbeitslose“ Der Ausbau Österreichs zum Sozialstaat kostete freilich erhebliche Summen und belastete das Budget*. Dazu kam, dass seit 1973 mehrere Krisen die Weltwirtschaft erschütterten. Kreiskys Leitspruch blieb dennoch: „Lieber Schulden als Arbeitslose!“. Deshalb ließ er zB auch die staatseigenen Stahlwerke trotz hoher Verluste nicht schließen, was die Staatsschulden weiter erhöhte. Auch Umweltfragen (Atomenergie, Ausbau der Wasserkraft) beschäftigten immer mehr Menschen. Kleine und Große Koalitionen wechseln einander ab Kleine Koalition* SPÖ-FPÖ Die Auswirkungen dieser ungelösten Fragen hatten auch politische Folgen: 1983 verlor die SPÖ ihre absolute Mehrheit und bildete mit der FPÖ eine Kleine Koalition. Damit war die FPÖ erstmals in der Regierung. Volksabstimmung und EU-Beitritt Von 1986 folgten bis 1999 neuerlich „Große Koalitionen“, diesmal unter den SPÖ-Bundeskanzlern Vranitzky* und Klima*. In diese Zeit fällt auch Österreichs Beitritt zur EU (1995). Er kam nach jahrelangen Verhandlungen und einer klaren Entscheidung der Bevölkerung in einer Volksabstimmung (2/3 stimmten zu) zustande. Bruno Kreisky wurde wegen seiner ständigen Kontakte zu Journalisten auch „Medienkanzler“ genannt. (Fotografie, 1975) Johanna Dohnal wurde 1979 Staatssekretärin für allgemeine Frauenfragen und 1990 erste Frauenministerin. (Fotografie, 1992) Österreichs Politik im Wandel Nur zu Prüfzweck n – Eigentum des Verlags öbv

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