Literaturräume, Schulbuch
88 DIe lIteratur Der aufklärung (1720–1770) Frauen lesen ander(e)s als Männer Damals bildeten sich auch die geschlechtsspezifischen Leseunterschiede heraus, die Leseforscher heute noch – auch in der Schule – feststellen. Männer lasen (lesen) mehr Zeitschriften, Zeitungen, Sachliteratur. Für sie galt, dass Lesen vor allem einen praktischverwertbaren Hintergrund haben musste. Frauen lasen eher „Romane“. Freilich waren große Schichten der Bevölkerung weiterhin vom Lesen ausgeschlossen. Die bevorzugten Gattungen Gattungen, die sich gut zur Belehrung einsetzen lassen, dominieren in der Aufklärung: das Theater mit seiner Anschaulichkeit und großen Breitenwirkung, kürzere epische Texte wie Fabeln, in denen Tiere oder Pflanzen menschliche Situationen widerspiegeln, Satiren oder pointierte Epigramme. Aphorismen, wie die „Sudelbücher“ Georg Christoph Lichtenbergs (1742–99) (1) , und Gedichte, die sich nicht nur in Büchern, sondern auch in Zei tungen und Zeitschriften leicht veröffentlichen lassen, sind beispielhafte Gattungen. Auch der Roman der Auf klärung steht im Dienst von Belehrung und Bildung. Die Auseinandersetzung um das Theater: Gottsched gegen die derben Wandertruppen Zur Verbreitung der Aufklärungsideen besonders geeignet schien das Theater. Doch wie schon im Barock prä sentierten die wandernden Schauspielertruppen vor allem auf Sensation und Komik ausgerichtete Stücke mit Hanswurst als derbem Spaßmacher. Gottsched lehnte diese Form des Theaters genauso ab wie die Oper. Sie war für ihn das „ungereimteste Werk, das der menschliche Verstand je erfunden hat“, und überdies sittenverderbend. Es gelang Gottsched, eine Schauspielertruppe für seine Pläne eines vernunftgemäßen Aufklärungstheaters zu gewinnen. In Anlehnung an die französischen Tragiker Pierre Corneille und Jean Racine schrieb Gottsched für diese Truppe Stücke, die seinen Reformideen entsprachen: Versform, Ständeklausel – Adelige als Personen der Tragödie, Bürger als Personal der Komödie –, drei Einheiten, Darstellung einer möglichen, glaubhaften Begeben heit ohne Unwahrscheinlichkeiten, Komik, Derbheit, Wunder. 1737 verbannte Gottsched den Hanswurst öffent lich von der Bühne. Unterstützt wird Gottsched von einer der berühmtesten Schauspielerinnen der Zeit, Caroli ne Neuber. Die „Neuberin“ kämpfte zeitlebens auch für die Anerkennung der als „unehrlich“ verachteten Schau spieler und Schauspielerinnen als ordentliche Bürger. Wie begründet man die „Ständeklausel“? In der Tragödie dürfen für Gottsched nur die Schicksale von Königen und Adeligen dargestellt werden. Bürger liche sollen, wie schon im Barock von Opitz gefordert, nur in Komödien auftreten. Begründet wird dies damit, dass dem Leben der Bürgerlichen die „Fallhöhe“ fehle. Das für die Tragödie typische Scheitern der Personen könne nur erschütternd dargestellt werden, wenn die Person eine hohe Stellung habe und dadurch der Fall umso tiefer sei. AUFGABEN > Informieren Sie sich unter http://www.leipzigerbuchmesse.de/ oder http://www.buchmesse.de über die bedeutendsten Messen für deutschsprachige Literatur und deren Schwerpunkte. Berichten Sie in der Klasse über Ihre Informationen. > Informieren Sie sich, zum Beispiel unter http://de.wikipedia.org/wiki/Lexikon , über die Geschichte der Lexika, bedeutende aktuelle Lexika verschiedener Länder (Meyer, Brockhaus, Herder; Encarta, Britannica, Larousse) und über Tendenzen zur Digitalisierung der Lexika. Arbeiten Sie am besten in Gruppen, die Sie nach der Sichtung des Materials auf der erwähnten Internetseite einteilen. Präsentieren Sie Ihre Ergeb nisse in der Klasse! > Besprechen Sie die Lesegewohnheiten in Ihrer Klasse. Erstellen Sie dazu beispielsweise eine Tabelle mit folgenden Parametern: Anzahl der im letzten Jahr gelesenen Bücher, getrennt nach Schülerinnen und Schülern; Art der Bücher (Sachliteratur/„schöne Literatur“); Anzahl der regelmäßig oder zumindest öfter gelesenen Zeitschriften; Titel/Thematik der Zeitschriften. Analysieren Sie mit Hilfe der Tabelle, ob es in Ihrer Klasse „geschlechtsspezifisches“ Lesen gibt! Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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