Literaturräume, Schulbuch
DIe lIteratur Der aufklärung (1720–1770) Die Epoche der Vernunft 1720 Christian Wolff veröffentlicht „Vernünftige Gedanken von der Menschen Tun und Lassen“, ein wichtiges Werk, das auf die Durchset zungsfähigkeit der Vernunft vertraut und sich bemüht, Wissen möglichst vielen zugänglich zu machen. 1770 Begegnung Herders und Goethes in Straßburg: Forderung nach Abkehr von der Alleinherrschaft der Vernunft; Recht auf Subjektivität; auch das „Gefühl“ muss in der Literatur Platz finden. 83 Das funDament Die Frage „Was ist Aufklärung?“ Vom meteorologischen Begriff zum philosophischen Programm Der Begriff Aufklärung wird im 17. Jahrhundert geprägt und be deutet ursprünglich „heiteres Wetter“. In übertragenem Sinn taucht der Begriff erstmals im 18. Jahrhundert auf. Bezeichnend für das Ziel der Aufklärung sind die Titel, die Christian Wolff, einer der wichtigen Verbreiter der Aufklärungsideen, seinen Büchern gibt. Sie beginnen meist mit „Vernünftige Gedanken von …“. Auch in an deren Sprachen wird der geistige Aufbruch des Jahrhunderts mit Begriffen von Aufklärung und Licht bezeichnet: englisch „enlight enment“, französisch „éclaircissement“ und „siècle des lumières“, italienisch „illuminismo“. Diese Begriffe definieren das Ziel der Auf klärung: die Überwindung der geistigen „Dunkelheit“, die Befreiung des Menschen von falschen Autoritäten, Vorurteilen und Aber glauben. Dies zeigen auch die folgenden Textausschnitte: Immanuel Kant: „Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?“ (1784) Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschul- det ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung. Faulheit und Feigheit sind die Ursachen, warum ein so großer Teil der Menschen, nachdem sie die Natur längst von fremder Leitung freigesprochen […], dennoch gerne zeitlebens unmündig bleiben; und warum es anderen so leicht wird, sich zu deren Vormündern aufzuwerfen. Es ist so bequem, unmündig zu sein. Habe ich ein Buch, das für mich Verstand hat, einen Seelsorger, der für mich Gewis- sen hat, einen Arzt, der für mich die Diät beurteilt, u. s. w., so brauche ich mich ja nicht selbst zu bemühen. Ich habe nicht nötig zu denken, wenn ich nur bezahlen kann; andere werden das verdrießliche Geschäft schon für mich übernehmen. […] Es ist also für jeden einzelnen Menschen schwer, sich aus der ihm beinahe zur Natur gewordenen Unmündig- keit herauszuarbeiten. Er hat sie sogar lieb gewonnen und ist vor der Hand wirklich unfähig, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, weil man ihn niemals den Versuch davon machen ließ. Immanuel Kant 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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